Krimis & Thriller

Vollgas auf der Intensivstation

Seit fünf Monaten liegt Kriminalkommissarin Emma Sköld in einem Stockholmer Krankenhaus im Koma. Nur wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Ines hatte sie sich mit ihrem Pferd auf einen Ausritt in den Wald begeben, wo sie nach einem Abwurf bewusstlos liegen geblieben war und seitdem nicht mehr aufgewacht ist. Kristoffer, ihr Lebensgefährte und der Vater von Ines, ist mit der plötzlichen Verantwortung und Aufgabe, das wenige Wochen alte Baby aufzuziehen, völlig überfördert, so dass er seine Ex-Freundin Hillevi bittet, ihn dabei zu unterstützen. Hillevi selbst hat den Unfalltod ihrer eigenen Tochter aber noch nicht überwunden, genauso wenig die Trennung von Kristoffer, der sie für Emma hat sitzen lassen. Währenddessen geben sich an Emmas Bett Freunde und Familie die Klinke in die Hand, beseelt von der Hoffnung, dass sie wieder aufwachen möge.

Eines Tages ist es dann tatsächlich so weit: Emma wacht auf. Während alle um sie herum in großer Freude über das medizinische Wunder sind, bedrücken Emma sogleich zwei Sorgen. Zum einen hat sie beinahe das komplette erste halbe Jahr ihrer Tochter verpasst, die nicht mehr das kleine Baby ist, das sie kurz vor ihrem Reitunfall noch im Arm gehalten hat. Zum anderen beschäftigen sie die Umstände des Abwurfs von ihrem Pferd. Emma glaubt nämlich, Erinnerungsfetzen wahrzunehmen, und ist überzeugt, dass es sich bei dem Unfall gar nicht um einen Unfall gehandelt hat, sondern dass jemand in voller Absicht ihr Pferd scheu gemacht hat. Emma fühlt sich um fünf Monate ihres Lebens betrogen und steht darüber hinaus vor einer völlig ungewissen Zukunft. Sogleich beginnt sie, vom Krankenbett aus zu ermitteln. Mit Hilfe ihres Arbeitskollegen Nyhlen fördern sie rasch einige Spuren zu Tage, bis Emma einen weiteren lebensgefährlichen Rückschlag erleidet.

"Das Mädchen und die Fremde" lautet der Titel des zweiten in deutscher Sprache erschienenen Kriminalromans aus der Reihe um Emma Sköld. Sofie Sarenbrant ist der Shooting-Star der schwedischen Krimi-Szene, die mit ihren temporeichen Fällen und der charismatischen Ermittlerin überzeugt. Kurioserweise ist der vorliegende Fall im schwedischen Original bereits der vierte Fall. Rütten & Loening, der herausgebende Verlag der deutschen Übersetzungen, hat auf die ersten beiden Fälle verzichtet und mit "Das Mädchen und der Mörder", dem eigentlich dritten Fall der Reihe, im vergangenen Frühjahr auf dem deutschen Büchermarkt debütiert. Da sich die Charaktere über die einzelnen Fälle hinweg weiterentwickeln, ist es höchst fraglich, ob der Leser hierzulande noch einmal in den Geschmack der beiden ersten Fälle kommen wird. Laut Website der Autorin gibt es diese neben dem schwedischen Original nur noch in der englischen Übersetzung.

Sofie Sarenbrant ist mit "Das Mädchen und die Fremde" wieder ein rasantes Machwerk gelungen. Auf den gut 330 Seiten hat sie ihre Erzählung in insgesamt 114 Kapitel gepackt. Also meist zwei oder drei, maximal fünf Seiten ist der Leser in einem Handlungsstrang unterwegs, bevor es mit höchster Geschwindigkeit auf zum nächsten Schauplatz geht. Da Sarenbrant dabei nicht übermäßig mit Cliffhangern hantiert, verzeiht man ihr dieses Vorgehen und wird sogar angestachelt, ihr Erzähltempo mitzugehen. "Das Mädchen und die Fremde" ist garantiert kein Buch, das länger als fünf, sechs Tage neben dem Sofa liegen wird. Man ist als Leser viel zu versessen darauf, das Drama um Emma Sköld mitzuerleben und aufgelöst zu wissen. Positiv kommt hinzu, dass die Autorin die Handlungsträger sympathisch rüberbringt und sehr gut in Szene setzt.

Im schwedischen Original ist bereits der fünfte Band in der Emma-Sköld-Reihe erschienen, der mutmaßlich in Kürze Numero Drei der deutschen Variante werden dürfte. Auf Basis der Informationen von Sofie Sarenbrants Website wird dort mutmaßlich der im vorliegenden Buch erwähnte Fall um den ermordeten Obdachlosen aufgegriffen. Dieser Verdacht wird durch das recht offene Ende von "Das Mädchen und die Fremde" gestützt, das eigentlich keinen Aufschub bei der Nachlieferung von Futter für den angefixten Leser duldet. Nach den mittlerweile eingestellten Annika-Bengtzon-Romanen von Liza Marklund hat der Freund mörderischer schwedischer Krimi-Unterhaltung mit Emma Sköld wieder eine neue Heldin entdeckt, die nach ihrem monatelangen Koma unbedingt wieder auf die Beine kommen muss, um das rasante Lesevergnügen aufrecht zu erhalten!

Christoph Mahnel
15.01.2018

 
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Das Buch:

Sofie Sarenbrant: Das Mädchen und die Fremde. Aus dem Schwedischen von Hanna Granz

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Berlin: Rütten & Loening 2017
336 S., € 16,99
ISBN: 978-3-352-00900-6

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