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Walter, eine hochbetagte Ratte, ist mit einer besonderen Fähigkeit zur Welt gekommen: Er kann lesen. Kein Wunder also, dass die Leseratte sich selbst nach Sir Walter Scott benannt hat. Walter lebt, bisher unbemerkt, so denkt er, im Haus der Schriftstellerin Amanda Pomeroy, ebenfalls eine Büchernärrin, die über eine eigene Bibliothek verfügt - der ideale Platz, an dem Walter seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann: Lesen. Doch wie Miss Pomeroy ist auch Walter ziemlich einsam. Als er dann auch noch eines Tages entdeckt, dass Miss Pomeroy Bücher über Mäuse schreibt, ist er empört, schließlich sind Ratten interessanter, intelligenter, anpassungsfähiger, schlichtweg also großartiger als Mäuse! Mit seiner Zurückhaltung ist es vorbei und er tritt in Briefkontakt mit der alten Dame um eine Aussprache herbeizuführen. Walter staunt nicht schlecht, dass die Hausherrin offensichtlich von seiner Anwesenheit gewusst und dennoch keine Jagd auf ihn begonnen hat, denn als Ratte ist er daran gewöhnt, verfolgt und vertrieben zu werden. Durch den regelmäßigen Briefwechsel entsteht eine tiefe Verbundenheit zwischen der Leseratte und der alten Dame. So ist Walter überwältigt, als er an Weihnachten ein ganz persönliches Weihnachtsgeschenk von Miss Pomeroy erhält: Ein kleines, von Hand geschriebenes Büchlein, mit dem Titel: „Walter – Die Geschichte einer Ratte“.

„Walter, The Story of a Rat“ - so lautet auch der Titel der amerikanischen Originalausgabe des kleinen Bandes. Schade, dass der Titel der deutschsprachigen Ausgabe sowie die winterliche Aufmachung des Titelbildes das Buch allzu sehr in die weihnachtliche Richtung drängen, ist doch „Ein Weihnachtsgeschenk für Walter“ viel mehr als ein typisches Weihnachtsbuch. Zwar findet die Freundschaft zwischen der Schriftstellerin und der Ratte durch die direkte Annäherung der beiden  an Weihnachten ihren Höhepunkt, dennoch geht es in diesem Buch um mehr als um das Fest der Liebe. Nicht nur die Freundschaft und Liebe von zwei so ganz verschiedenen Persönlichkeiten mit doch ähnlichen Interessen wird thematisiert, denn in ihrer gemeinsamen Leidenschaft offenbart sich der eigentliche Gegenstand des Buches: die Leidenschaft und Liebe zur Literatur. So ist die Geschichte auch voll von literarischen Anspielungen und Verweisen, natürlich vorrangig auf Werke aus dem englischsprachigen Raum, die dem erwachsenen Leser ein wahres Lesevergnügen bereiten. Kinder, die das Buch selbst lesen oder vorgelesen bekommen, werden sich natürlich freuen, wenn Walter und Miss Pomeroy zusammenfinden, nur der erwachsene Leser wird jedoch die Fülle der literarischen Anspielungen einordnen, die zum Teil philosophisch anmutenden Überlegungen der weisen Ratte bewerten und die subtile Komik, die der ganzen Geschichte auch sprachlich ihre ganz besondere Prägung gibt, erkennen können.

Aber egal, ob man die Geschichte der Leseratte nun als Weihnachtsbuch über Liebe und Freundschaft oder als immer aktuelles Buch über die Leidenschaft zur Literatur liest, jede Lesart  überzeugt und steht in optimaler Harmonie zu den filigranen Federzeichnungen von Donna Diamond!

Claudia Birk-Gehrke
20.10.2008

Barbara Wersba: Ein Weihnachtsgeschenk für Walter. Aus dem Englischen von Barbara Küper. Mit Bildern von Donna Diamond

Berlin: Tulipan Verlag 2008, 3. Auflage
60 S., € 14,90
ab 6 Jahren
ISBN: 978-3-939944-06-5

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