Kinder- & Jugendbücher

Abenteuer einer ungewöhnlichen Familie

Zwei vollkommen unterschiedliche Familien unter einem Dach- kann das gut gehen, zumal die eine Familie von der Existenz der anderen nichts ahnt? Die Ahnungslosen sind in diesem Fall die Mitglieder einer ganz normalen Durchschnittsfamilie mit zwei Töchtern und einem Klavier im Wohnzimmer. Die eigentlichen kleinen Helden der "Netz-Geschichten" von Jutta Willner verbergen sich allerdings im Innern des Instruments. In diesem hölzernen Kasten lebt eine neunköpfige Spinnenfamilie, die es sich hier so richtig gemütlich gemacht hat. Von hier aus unternehmen die kleinen achtbeinigen Wesen allerhand Erkundungsgänge in das Haus der Menschen und treiben jede Menge lustigen Unfug. Was die Spinnenoma, die Eltern und die sechs Kinder dabei erleben, ist Gegenstand der 43 Geschichten. So kann man beim Lesen feststellen, dass Mensch und Spinne in diesem Buch viele Gemeinsamkeiten haben, denn sowohl die Menschen als auch die Spinnen erleben Schreckliches und Trauriges, aber auch viele schöne Dinge.

Jutta Willner hat beim Verfassen ihrer "Netzgeschichten" ein großes Maß an Kreativität bewiesen, indem sie die Spinnen als vermenschlicht erscheinende, kleine, eifrig agierende Persönchen darstellt, die verschiedenste Abenteuer erleben. Durch das vorangestellte Personenverzeichnis mit den zugehörigen, farbigen Illustrationen von Janet Schlüßler und Tanja Eidam bekommt man einen guten Einblick in die unterschiedlichen Eigenheiten der verschiedenen Charaktere. Leider bleiben die zahlreichen Familienmitglieder im weiteren Verlauf der Geschichten ein wenig profillos. Insgesamt überwiegt ein deskriptiver Charakter, der in weiten Teilen das Aufkommen von Spannung verhindert. Hier spielt auch die große Anzahl der Geschichten (43!) eine wesentliche Rolle, denn durch deren Kürze kann ein eigentliches Eintauchen in die Handlung, wie man es sich insbesondere von einem Buch für Erstleser wünscht, nicht stattfinden. Zwar sind die ausführlichen, beschreibenden Passagen durchaus zu legitimieren, wenn es darum geht die Personen oder die Lebensweise der Spinnen vorzustellen, insgesamt ergibt sich daraus aber ein Buch mit wenig Spannung. So wären einige Geschehnisse von ihrer Grundidee her durchaus dazu geeignet gewesen, hieraus eine abenteuerliche Handlung zu stricken, doch leider sind die einzelnen Episoden schon wieder zu Ende, bevor sie eigentlich so richtig angefangen haben. Zum Beispiel fällt der Spinnenjunge Spaidi eines Tages von der Lampe, woraus sicherlich eine spannende Story hätte entstehen können, doch er kann sich sofort wieder retten und hört eine Standpauke seiner Eltern. Auch das Schicksal von Onkel Septimus, der eines seiner Beine auf tragische Weise verlor, wäre ausbaufähig gewesen, wenn auch hier zum ersten Mal seit fast 80 Seiten so etwas, was man ansatzweise als Spannung bezeichnen könnte, aufflackert. Interessant wird es allerdings dort, wo die Spinnen sonderbare, für sie fremde Dinge in der Welt der Menschen entdecken, zum Beispiel die riesigen Kästen mit Menschen drin auf den Straßen, die zudem noch laut sind und fürchterlich stinken oder das braune Rechteck mit weißer Haube, das von einer Menschenfrau verspeist wird. Auch manche Ähnlichkeit zwischen Mensch und Spinne wirkt durchaus belustigend, beispielsweise kann man feststellen, dass auch Spinnen Piercings tragen. Zudem fühlt man sich zuweilen selbst ertappt, wenn man sich an seine eigene Spinnenjagd, ausgestattet mit Staubsauger, Besen oder Glas, erinnert…

Die "Netz-Geschichten für Anfänger", das "Buch für Zweibeiner von 8 bis 80", so die Angaben des Verlags, bieten nur eine vage Angabe der Zielgruppe, die angesprochen werden soll. Sicherlich kann man die Geschichten zu Hause in der Familie vorlesen, doch leider werden das enge Druckbild, die kleine Schriftgröße und die textlastigen Seiten, die zwar meist von Illustrationen aufgelockert werden, Leseanfänger abschrecken. Alles in allem wäre eine Reduktion auf wenige Geschichten mit einem entsprechend ausgebauten Handlungsverlauf sinnvoll gewesen, um den Charakter einer handlungsarmen Berichterstattung zu vermeiden.

Claudia Birk-Gehrke
13.05.2008

 
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Das Buch:

Jutta Willner: Spinnenkinder. Netzgeschichten für Anfänger. Mit Illustrationen von Janet Schüßler und Tanja Eidam

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Radebeul: A-Tonia Verlag 2006
130 S., € 12,80
ISBN: 978-3-9811241-0-1

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