Kinder- & Jugendbücher

Das Wunder eines Jugendbuchdebüts

Das große Feuer hat der 16-jährigen Ava alles genommen: ihre Eltern, ihre Cousine Sara, die zugleich ihre beste Freundin war, ihr Zuhause. Sie musste zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen. Und noch immer ist ihr ganzer Körper, vor allem aber ihr Gesicht, von Narben gezeichnet. Doch nun soll Ava sich Schritt für Schritt in den Alltag zurückkämpfen. Saras Tante, die sie bei sich aufgenommen hat, verlangt von ihr, dass sie wieder die Highschool besucht - Avas schlimmster Alptraum. Schließlich einigen sie sich auf eine "Probezeit" von zwei Wochen. Ava ist wild entschlossen, danach nie wieder einen Fuß vor die Tür und schon gar nicht in eine Schule zu setzen. Aber dann kommt alles ganz anders, denn Ava findet ausgerechnet dort, wo sie es am wenigsten erwartet, Seelenverwandte.

Der erste Schultag erweist sich, wie erwartet, als Hölle auf Erden. Ava kommt sich zunächst vor wie eine Aussätzige, viele böse oder auch unbedachte Kommentare, aber ebenso das plötzliche Zurückschrecken des Gegenübers kränken sie. Einzig Klassenkamerad Asad scheint eher fasziniert von Ava als abgestoßen. Und tatsächlich ist Asad, Ava gar nicht so unähnlich, ein Alien unter Menschen: ein ziemlich schlimmer Technik-Nerd. Er steht auf Musicals und ist irgendwie echt cool. Es ist Freundschaft auf den ersten Blick. Und am nächsten Tag lernt Ava mit Piper eine weitere Verbündete gegen den Rest der Welt kennen. Ein Autounfall hat ihr Leben zerstört. Sie ist sehr speziell. Aber gut speziell. Asad und Piper locken Ava langsam, aber sicher aus ihrem Schneckenhaus. Allerdings noch längst nicht auf Dauer.

Auf Pipers Drängen hin nimmt Ava bei der Theater-AG teil, jedoch anfangs als Teil der Technikgruppe hinter den Kulissen. Allein der Gedanke, ein Scheinwerfer wäre auf die gerichtet, lässt bei Ava den Schweiß ausbrechen. Lieber ergreift sie die Flucht. Dumm nur, dass Piper, die selbst mit ihren (inneren) Dämonen schwer zu kämpfen hat, das nicht zulässt. Und so nimmt Ava am Vorsingen für eine Rolle in "Der Zauberer von Oz" teil: In sieben Wochen soll sie als Glinda, die gute Hexe des Nordens auf der Bühne stehen. Es ist Avas Chance zurück ins Leben. Doch ihre Komplexe hindern Ava einmal mehr am Glücklich-Sein. Sie muss sich selbst beweisen, dass in ihr mehr steckt als mit den Augen wahrzunehmen ist ...

Unterhaltung mit absoluter Lach-, Wein- und Glücksgarantie - es gibt nur wenige Schriftstellerinnen vom Schreibkönnen Erin Stewarts. Die US-Amerikanerin ist eine Autorin vom Erzähltalent eines John Green oder einer Raquel J. Palacio. Ihre Geschichten treffen mitten ins Herz und brechen es einem. Kaum "Sieh mich an" aufgeschlagen, weint man regelrecht Sturzbäche von Tränen, während Hunderte Schmetterlinge im Bauch wild durcheinander flattern. Hier erfährt man Balsam für die Seele. Das vorliegende Buch zu lesen, ist wie die zärtliche Umarmung eines Freundes oder anderen geliebten Menschen. Stewart begeistert Teenagerinnen mit ganz viel Romantik. Ihr Erstling bedeutet Genuss pur. Solch betörende Poesie findet man äußerst selten zwischen zwei Buchdeckeln. Definitiv zum Verlieben schön!

Mit "Sieh mich an" gelingt Erin Stewart eines der berührendsten Debüts in der Jugendliteratur. Während und nach der Lektüre fühlt man sich selten trauriger, zugleich aber auch noch nie so glücklich. Die Story macht einen ganz schwindelig, und das ab dem ersten Satz. Diese nimmt einen mit auf eine rasante Achterbahnfahrt der Emotionen. Ein einziger Gefühlsrausch! Außerdem ein Juwel unter den Neuerscheinungen der letzten Jahre!

Susann Fleischer 
27.01.2020

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Erin Stewart: Sieh mich an - Jeder hat Narben. Manche sind nur besser zu sehen. Aus dem Amerikanischen von Henriette Zeltner

CMS_IMGTITLE[1]

München: Heyne Verlag 2019 416 S., € 16,00 ab 14 Jahren ISBN: 978-3-453-27225-5

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.