Gedichtbände

Menschsein

Vielfältig sind die Lebensbereiche und Sujets, aus denen die Autorin ihre Themen als bewegende emotional-geistige Anliegen gewinnt. Die kleinen und großen Schwächen des Menschen werden bisweilen augenzwinkernd-humorvoll wie auch drastisch, mit kritischem Ton in sprachliche Form gebracht: Der Alltag - Urlaub eingeschlossen -, neue Essgewohnheiten, seltsame Müllentsorgung, schleichende Vergesslichkeit, Liebe, "Szenen einer Ehe" (Loriot) u.a. Alles reimt sich, nichts Schlimmes ist gemeint, heiter-unterhaltend, ein wenig spöttelnd, originell.

Aus ebenso unmittelbarem Erleben wird in weiteren Gedichten die eigene Kindheit der Autorin reflektiert - Pommern während der Nazizeit. Der Pimpf, seiner Freiheit beraubt, Onkel Rudi - ein jüdischer Arzt, geachtet und beliebt, im KZ umgebracht. Das "Ungereimte", Schmachvolle, Inhumane vermittelt sie in anderer stilistischer Form - direkt, fest, prosaisch. Wehmütig und leidvoll, verbindlicher sind die Gedichte über die pommersche Heimat und die Wiederbegegnung mit ihr nach Jahrzehnten, die Erinnerung an "Tami", den die Russen 1945 in ihrem Dorf umbringen.

Ein weiteres Thema ist die Sorglosigkeit vieler Menschen gegenüber der Umwelt und ihren Mitmenschen. Maßlosigkeit und Genuss-Sucht, die für die Enkel wenig übriglassen. Die Autorin fühlt sich mitschuldig: "Die Arktis, eines der letzten Paradiese ... Ich kam hierher mit einem Kreuzfahrtschiff. Einer Dreckschleuder, die diese blendende Schönheit verdunkeln wird." - Der Kapaun, gequält, entwürdigt, doch die "Gourmets brennen schon vor Gier". - "Bittere" Schokolade von der Elfenbeinküste, mit gefährlicher Kinderarbeit und unsäglicher Armut verbunden. Doch wer weiß das?

... Guatemala - Hunger, Angst und Schrecken bestimmen das Leben der Bevölkerung, den brutalen Despoten ausgeliefert. Doch kümmert das den Touristen, der auf den Genuss der Maya-Kultur und begeisternder Naturschönheit aus ist, schließlich hat er dafür bezahlt. Und wenn ihm das alles gleichgültig ist, so kann er doch anderen beweisen, dass er dabei gewesen ist.

Wertewandel und Werteverlust beklagt die Autorin zudem beeindruckend und überzeugend in dem umfangreichen Gedicht "Die zehn Gebote 2013". Jeglicher Kodex ist gefährdet. Mit ihrer Lyrik "Menschlich-Unmenschlich" vermag die Schriftstellerin ihrem selbsterklärten Anliegen gerecht zu werden, "größere Sensibilität, Verständnis und Aufmerksamkeit für die Mitmenschen, die Umwelt und vergangene Ereignis (zu) bewirken". Eine empfehlenswerte Lektüre für jedermann.

Dr. Peter Posse
28.10.2013


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
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Das Buch:

Inge Alice Fabricius-Glahé: Menschlich-Unmenschlich

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
79 S., € 14,80
ISBN: 978-3-8372-1285-3

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