Gedichtbände

Reisen mit Tanz und Marienkult

Das Bändchen mit dem Untertitel "Dichtung vom Unterwegssein" ist eine etwas ungewöhnliche Zusammenstellung von Reiseberichten und hymnischen Gedichten, Anrufungen und Gebeten. Diese haben alle in irgendeiner Form die Gottesmutter Maria zum Thema, während die Zwischenerzählungen immer wieder zum Motiv des Tanzes und der Ekstase zurückkommen.

Der erste Bericht führt ins südspanische Sevilla zur Zeit der Fiesta - nicht irgendeiner Fiesta, sondern der Wallfahrt, der Peregrinación der Gitanos. Schon hier offenbart Autorin Barbara Beuß ihre Affinität zu diesem Volk. Sie erwähnt stolz ihren Rock, den sie zum Tanzen trägt und der überall die Aufmerksamkeit der Gitanos oder Roma erregt. "Zigeunerkinder - so rufe ich euch nicht", heißt es in einem der folgenden Abschnitte, und hier hat der Leser längst erfahren, dass dem fremden, oft unnahbaren Volk mit Achtung und Respekt zu begegnen ist, was eben auch in der Wortwahl, in der Wahl der Bezeichnung zum Ausdruck kommt.

Die sehr subjektiven Eindrücke wechseln mit sachlichen Angaben, was den Leser immer wieder auf eine quasi andere Wahrnehmungsschiene bringt. So vermittelt die Schilderung tiefer gläubiger Versunkenheit einen Antagonismus im Wechselspiel mit einer aufdringlichen Umgebung, die sich in Gestalt von weniger angenehmen Bekanntschaften wie respektlosen Taxifahrern oder scheinbaren Abenteurern aufdrängt und die Reisende, die ganz auf das Erlebnis des ekstatischen Tanzes eingestellt ist, in die raue Wirklichkeit zurückruft.

Manche Wortschöpfungen und Wortverbindungen in den Hymnen und Gebeten erfordern kurzen Einhalt und Überlegung, um das Gemeinte erfassen zu können, hierbei unterstützt von Schriftwechseln, Hervorhebungen und grafischer Anordnung, durch welche diesen Passagen auch optisch besonderer Ausdruck verliehen werden soll. Die Einschübe in spanischer Sprache vermitteln Lokalkolorit und Lebendigkeit. Und wenn sie auch nicht jedem wörtlich verständlich sein werden, illustrieren sie den Status der Erzählerin als Fremde, die sich die andere Kultur anzunehmen bemüht.

In einer weiteren Hymne an die Jungfrau Maria verquickt sich die Klage vom Leid des irdischen Daseins mit erotischen Anspielungen. Hier finden sich Anklänge an das Hohelied. Das Motiv des Hoheliedes wird weitergeführt zum Motiv der Hohen Zeit, deren ekstatische Erfahrungen in der Verbundenheit mit der Natur beginnen. So schwankt der Blickwinkel des Lesers zwischen konkretem Erleben und entrückten Anrufungen höherer Mächte, wobei er sich aufgrund des fragmentarischen Charakters der Textzusammenstellung auf das eine oder andere konzentrieren kann.

Abschließend kehrt die Reisende auf ihren Wanderschaften zurück in die Welt, zurück in die Natur, und besingt das positiv ausgerichtete Motiv des Lebens als großen Tanz. Dieses Leben sollen wir feiern und damit können sich sowohl religiöse als auch nicht religiöse Leser sicherlich einverstanden erklären.

Dr. Martina Flakowski-Jankovic
24.06.2013


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
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Das Buch:

Barbara Beuß: Fort an - En route. Dichtung vom Unterwegssein

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
45 S., € 9,80
ISBN: 978-3-8372-1233-4

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