Gedichtbände

Mit dem inneren Auge

Gertrud Pauly versucht mit ihren Gedichten zu ergründen, was sich in uns verbirgt, kaum sichtbar ist, aber trotzdem so bedeutsam ist. So merkt der Leser bereits bei den ersten Versen, dass diese Betrachtungen zum eigenen Ich als Suche nach dem richtigen Weg zu verstehen sind. Die erste Zeile des Gedichtes "Manchmal hatte ich Geistesblitze" trifft den Tenor des Buches sehr genau, denn dieser Eindruck vermittelt sich an vielen Stellen beim Lesen. Es wird auch deutlich, dass alle Betrachtungen eine Frage der Perspektive sind, zum Beispiel, wenn ein Stein als Aussichtspunkt für einen Regenwurm dient.

Vielfach, auch aus Träumen geboren, wird die Sicht von Tieren hinzugezogen, da wird in einem Gedicht sogar ein Bezug zum eigenen kleinen Sohn hergestellt (kann schon quieken wie ein Schweinchen und brummen wir ein wilder Hund). Die Vorliebe zu Tieren ist offenkundig. Sie scheinen das eigene Ich sehr zu befruchten und anzuregen. Im Traum erscheinen Hunde, Pferde, Ziegen und Kühe. Auch einem Igel, der sich überfressen hat, und einem Hund, der gerne Zug fährt, sind Verse gewidmet.

In einem Gedicht über das kleine Ich lauten die letzten Zeilen: 
"Jetzt liest es bis auf weiteres 
Nur Lyrisches und Heiteres 
Daran erbaut es sich."

In diesem Sinne folgen später zur Aufmunterung auch Zeilen über Weingenuss, Trinken und Fröhlichsein und Müßiggang. Wie weit der Bogen der Gedichte gespannt ist, zeigen die zwei Verse über die Eiche mit Abbildung als abstrakte Bretter und als schönbelaubte Eichenbäume. Im Anschluss daran kommt abschließend noch einmal das kleine Ich zu Wort, das gleichzeitig in einer Illustration als Steinskulptur erscheint, die es aber zum Glück nicht geworden ist.

Gertrud Pauly ist eine Lyrikerin, die das kurze Versmaß liebt. Ihre Gedichte in kurzer prägnanter Form bestechen durch gezielte Wortwahl. Enthalten sind Verse über das kleine Ich, das aus sich heraus will, sich selbst spiegelt und in der Selbstbetrachtung viele Entdeckungen macht. Dabei bleibt der Gedichtband nicht beschränkt auf die Erkundungs- und Streifzüge des Ichs. Die Sicht und der spezielle Blickwinkel der Autorin mit ihrem inneren Auge lassen diese besonderen Verse entstehen, die zum Nachdenken über die innere Wesenheit anregen, aber vor allem von den lyrischen Ideen der Dichterin leben.

Dr. Helga Miesch
27.05.2013


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Gertrud Pauly: Die seltsamen Befindlichkeiten vom kleinen Ich

CMS_IMGTITLE[1]

Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
38 S., € 9,80
ISBN: 978-3-8372-1266-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.