Gedichtbände
Ein Gutelaunespender, der sich reimt
Schon die "Schlichten Gedichte" hatten es in sich. Nun legt Regina Ullrich einen Band vor unter dem Titel "Mee(h)r Gedichte". Es ist ein 160 Seiten starkes Buch, schön aufgemacht. Man könnte fast sagen: wetterfest. Jedenfalls präsentiert sich der Band wie ein Gutelaunespender, den man jemandem in die Hand legt. Die ansteckende Prachtslaune, die sich hier aneinander reiht, machen die Publikation zu einem Geschenk, dessen Wirkung nicht so rasch verfliegen dürfte.
Wenn sich die öffentlichen Medien, also Presse, Radio und das TV, mit "bad news" überbieten wollen, läuft ihnen Regina Ullrich in die Quere. Und das Schöne an ihren Gedichten ist nicht nur der einklinkende Reim, der uns schmunzeln oder auch laut lachen lässt, sondern auch der Umstand, dass sie nichts voraussetzen. Lachen setzt eben kein Studium voraus, und Freude bereiten kann man - der Band beweist es - ohne viel Fremdwortgetue.
Wer das wurmige Titelbild enträtseln will, tut gut daran, das Titelgedicht dazu zu lesen: "Der perfekte Mord". Es schildert des Wattwurms Rache an der muschelverliebten Würmin. Das Watt hat die Menschen schon immer angezogen, und wenn ein Wattführer das Laienpublikum in Erstaunen versetzen will, dann hebt er eine Schaufel voll Schlickmasse in die Höhe. Dort lebt der Wattwurm, der sich, was der Wattführer oft nicht weiss, gelegentlich auch verlieben kann.
Im vorliegenden Fall geht es recht dramatisch zu. Aber dem ist natürlich nicht immer so in diesem tierfreundlichen Buch, wo der Elefantenrüssel rechtzeitig gewarnt wird - vor der im Reim sich anbietenden Suppenschüssel. Auch Storch Aldebaran ist unterwegs. Und Frösche in jeder Menge. Was die für Sorgen haben! Man denke an den Breitmaulfrosch, der "Konfitüre" sagen möchte, aber bekanntlich nicht viel mehr als Marmelade rausbringt. Deshalb wird im Buch auch "Fröschisch" angeboten.
Präsent sind auch der Kakadu, die Maus und das Grillhähnchen, aber auch Pflanzen wuchern durch das Buch, die Mohrrübe etwa. Gelegentlich lockern Figuren die gedichtete Welt auf, obwohl es diese gar nicht nötig hat. Der Autorin scheinen die Ideen gleich in Reimform über die Zunge zu gehen.
Etwas fällt auf: Es wird sehr lecker gekocht und gegessen in diesem Buch. Da ist auch was für Wurstfreunde drin. Selbst ein Sternekoch mischt wacker mit. Mit allzu grossem Hunger sollte man das Buch also nicht lesen, es sei denn, man stürze sich auf die verlockenden Listigkeiten, die im Buch herumgeistern, die Zweitagsfliege etwa, der Zweitwagen oder die Zweitfrisur.
Das Buch ist nicht nur leicht lesbar, sondern auch vorlesbar. Das hat schon für den vorangegangenen Band gegolten. Die Reime sind eigentlich noch mehr für das Gehör gedacht, und gehörtes Lachen steckt ja noch viel rascher an als nur gesehenes. Ob sich das auch ein Therapeut hinter die Ohren schreiben sollte, der einen Patienten mit angeschlagener Seele vor sich hat?
Ronald Roggen
08.04.2013