Gedichtbände

Ein Sender, eine Stimme, ein Garant

Unter dem Titel "Beromünster ist weit" hat die Autorin Liv Kortina ein recht berührendes kleines Werk geschrieben, das die erlebte Geschichte ins Jetzt zu retten hilft.

Für die Schweizer war "Beromünster" jahrzehntelang so etwas wie ein tägliches Treffen der Nation vor dem Radioapparat. Der Mittelwellensender hatte lange das Sendemonopol, aber er genoss auch ohne dieses Privileg hohe Wertschätzung. Dann wurde er abgeschaltet, es kamen die UKW-Sender, das Aufbrechen des Monopols, die Diversifikation der Medienwelt.

Dass man so respektvoll vom Landessender sprach, der eigentlich nicht im alten Flecken Beromünster stand, sondern im Nachbardorf mit dem wenig attraktiven Namen Gunzwil, das hatte seinen Grund: Während des Zweiten Weltkriegs lieferte dieser Sender der umkreisten Schweiz verlässliche Information, die nach innen hin Sicherheit vermittelte. Zum eigentlichen Markenzeichen wurde die Stimme des Journalisten und späteren Professors Jean Rudolf von Salis, dessen Weltchronik eine unerhört starke Wirkung entfaltete.

1996 verstarb von Salis, auf den die Schweiz zu recht sehr stolz war. Nun erinnert Liv Kortina an ihn, allerdings mit einer Außensicht, die viele Eidgenossen überraschen dürfte. Sie hatte "Beromünster" stets als Sehnsuchtswort empfunden, seit sie damals als Kind im Hitler-Protektorat Böhmen und Mähren die Sendungen mithören konnte. "Wir sind hier in Böhmen, Kind - es ist Krieg. Beromünster ist weit", schreibt sie. Dass BBC stark in den Kontinent hineinstrahlte und wirkte, wussten alle. Aber "Beromünster"?

"Beromünster" löst im Buch eine Initialzündung aus, die Kreise zieht. Es geht weiter, nach Stalingrand, in russische Eisenbahnzüge - "wertlose Menschenfracht". Mit diesem Hintergrund lebt es sich weiter. Aber es gibt auch ein Wartburgfest - eines von vielen an diesem welthistorischen Ort des Aufbruchs -, und es gibt den Mauerfall. Selbst eine Art böhmischen Robin Hood führt Liv Kortina auf. Bis die Schreibe in die Schweiz zurückführt, diesmal zu Henri Dunant und seinem "tapferen Siege der Menschenliebe", dem Roten Kreuz.

Aber das Buch überwindet die Enge und die Nähe, kümmert sich um Sri Lanka, geht nach Ruanda und nach Afghanistan. Das Kriegsthema lässt den Leser zwar nie recht los, aber das Buch verrät auch Persönliches, wird heiter und führt sein Spiel mit dem Leser. "Als das Leben noch spannend war, nicht von der Glotze diktiert", schreibt Kortina weiter hinten. Es ist indessen nicht so, als würde Hass gegenüber allen modernen Medien verbreitet. Vielmehr dringt die Autorin darauf, Wahres zu hören und Wahres zu sagen, so, wie es damals war, als Papa zur Mama sagte: "Der Mann spricht klar. Er belügt mich nicht." So kehrt sie zum großen von Salis zurück, dem Historiker und Publizisten, der 1996 fast 95-jährig verstarb. "Die Stimme schweigt", aber sie hallt nach.

Ronald Roggen 
18.06.2012 

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Liv Kortina: Beromünster ist weit. Erzählende Gedichte zu Gegenwart und Geschichte

CMS_IMGTITLE[1]

Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2011
66 S., € 10,80
ISBN: 978-3-8372-0982-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.