Gedichtbände

Aus dem Land der Asen

Am Anfang war alles ein Spiel der Götter. Lachend erschlagen Odin und seine Brüder den Urriesen Ymir und erschaffen aus seinem Fleisch die Erde, aus seinem Blut werden Meere, Augenbrauen Meeresstrand, aus seinen Haaren zupfen sie Bäume und sein Hirn wird zu Wolken am Himmel. Altes muss sterben, damit das Neue entstehen kann - urgewaltige Schöpfungskräfte werden hier wirksam. Wir erfahren, dass die Schöpfung der Welt bei aller Unschuld kein Kinderspiel ist, sondern mit Gewalt und Blut verbunden ist. Das archaische Lachen der Götter, was diesen Akt begleitete und was auf der ganzen Erde zu hören war, ruft auch Schrecken hervor.

In poetischen Bildern hat Wolfgang Zanker die Göttergesänge und Heldenlieder der Edda nachgedichtet und dafür eine moderne Sprache gefunden, die uns berührt, weil wir so im längst Vergangenen die Wurzeln unserer Kultur lesen können.

Der Dichter führt uns in eine Landschaft vor der Zeit, in der die Götter die Welt nicht nur erschaffen, sondern auch entdecken und wir mit ihnen in der Symbolkraft der Dichterworte. Es wird erzählt vom Weltenbaum Ygdrasil, von Odins Macht, die sich in der Treffsicherheit seines Speeres abbildet, den wilden und klugen Seiten seines Wesens in Gestalt seiner Begleiter, der beiden Wölfe und  zwei Raben. Von Thors Kraft, mit der er jede Nacht das Dunkle besiegen muss, aber auch von dem Glanz, den er trägt.  Balder gebietet über die Sonne. Im Traum weht ihn die Ahnung einer nachfolgenden Sonnengestalt an - Christus.

In den Reigen der Gesänge, die den großen Bogen von der Erschaffung der Welt bis zum Ende der alten Götter und dem Tod der Helden spannen, sind, wie auch in er alten Edda, Sprüche gewoben, die in ihrer sprachlichen Aussagekraft an ostasiatische Lyrik erinnern, in der nur ein Bild, ein Gedanke entworfen wird und Raum bleibt, darüber nachzusinnen.

Die Edda war ursprünglich eine lose Sammlung von Liedern und wurde mündlich von Sängern überliefert. Die Nähe zur Musik schwingt mit in der freien Versgestaltung dieser "zeitgenössischen Edda" von Wolfgang Zanker. Der schmale Band ist wunderschön gestaltet mit Fadenheftung und Leseband. Es ist daran gedacht, dass der Leser das Buch nicht in einem Ruck verschlingt, sondern innehält, den Worten nachlauscht, dem, was zwischen den Zeilen mitklingt.

Es ist unbedingt empfehlenswert auch die gesprochene Version der beigelegten CD anzuhören. Die Musikalität der Nachdichtung kommt in dem dunklen Timbre von André Stuchlik und in der, bei aller Brüchigkeit, wohlgeformten Stimme von Margarethe Kastner sehr eindrücklich zum Tragen und vermittelt uns ahnungsweise etwas von der alten Sängerkunst.

Die sorgsame Edition der Federwerkstatt bedenkt auch, das uns Zeitgenossen nicht alle Namen der germanischen Mythologie mehr präsent sein können und fügt ein Stichwortlexikon im Anhang  und auf einem gesonderten Lesezeichen bei. Auf dem Einband ein Bild der Malerin Sissi Edler: Auf dunklem Blau erdige Farbtöne. Fingerspuren, Risse und Reste von Schriften wie auf einem Palimpsest. Wir lesen Bruchstücke und sind darum im Verstehen aufgefordert, uns ein eigenes Bild zu machen. Es erscheint uns, ebenso wie die Dichtung, nicht monumental als ein Ganzes, sondern als Fragment, dessen Schönheit auch im Geheimnis liegt.

Ein Zauberbuch. Ein Geschenk.

lee 
01.05.2007

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Das Buch:

Wolfgang Zanker: Aus dem Land der Asen

CMS_IMGTITLE[1]

Kammlach: Federwerkstatt 2005
120 S.
ISBN: 3-9809725-1-8

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