Gedichtbände

Sprache der Still

Wright, Charles. Fragezeichen! Wenn man was weiß, dann, daß Frank Lloyd Wright der Erbauer des New Yorker Guggenheim ist. Auch Namensvetter Charles ist Amerikaner. Einer des Jahrgangs 1935. Geboren im Staate Tennessee und wohldekorierter Lyriker im Lande. Warum wissen wir hierzulande wenig oder gar nichts vom Dichter Charles Wright? Weil die nordamerikanische Dichtung in Deutschland vor allem durch die popularisierten Pop-Poeten vertreten ist. Das soll genügen? Das genügt nicht! Doch, wen kümmerts? Nicht die Großverlage. Also müssen kleine Verlage ran, das Defizit auszumerzen. Zum Beispiel der solide Leipziger Verlag Edition ERATA. Der gibt die Reihe "edition neue lyrik" heraus. In der ist als Band 22 eine Wright-Auswahl erschienen.

Bereits der Titel "Worte sind die Verringerung aller Dinge" ist eine Herausforderung. Wer seinen Bukowski, Ginsberg, Dylan intus hat, wird seine innere Abwehr mobilisieren oder ins Schwitzen geraten. Zu fragen hat sich auch der Gutwillige: Wieso sich das antun? Worte, die Worte der Verringerung aller Dinge sind? Wäre da nicht Schweigen das Gescheitere, das der lebensmüde Kurt Tucholsky als höchste Form des Sagens pries? So skeptisch der Titel macht, so neugierig macht er auf die zweisprachige Edition. Nicht nebenher, nicht hintereinander "wegzulesen", wird Tag für Tag klarer, daß jemand zu einem spricht, der von sich sagt: "Tag für Tag werde ich mir selbst unklarer". Das zwingt den Zweifler noch genauer hinzuhören. Ist doch Wrights Einsicht der ganze Gegensatz zu dem Peter Handke, der gerade erklärte, daß er schreibend sich "klarer und klarer" über sich selbst wird. Glücklicher Handke! Glücklicher Wright, der sich Im-klar-werden unklarer werden kann! Wie redlich, wie tröstlich, wie wahrhaft das gesagt ist.

Die Gedichte des Charles Wrights sind wortreich-gewandte Bild-Kompositionen. Nie auf schnelle Wirkung aus, sind sie gänzlich unspektakulär. Spürbar ist, wie schmerzhaft dem Verfasser oft das Äußern, also Veräußern ist. Der Lyriker, der in einem laut-lärmenden Land lebt, liebt die Stille und lebt sie für sich. Die Stille zu hören, scheint ihm das Schönste und Höchste. In der Stille, ist er sicher, ist alles klar, rein, redlich. Die Dinge sind die Dinge, die sie sind. Das hat was vom Geist des buddhistischen Geistes. Vom Geistigem, dem das Sinnieren der Sinn des Sinnens ist. Der US-amerikanische Dichter ist inspiriert vom Denken, das der asiatischen Kunst und Kultur ihre unvergleichbaren, unverfälschbaren, unvergänglichen Bilder möglich machte. Es ist der Weltgeist, der sich dem Weltgetöse widersetzt und seine Widerworte entgegensetzt, die die Sprache der Stille hörbar machen.

Der Amerikaner ist ein Asiate. Als der ist er ein Weltbürger, der nicht fürchtet, sich in der Welt und den Galaxien zu verlieren. Charles Wright schreibt sich zu, was er schreibt. Da ist kein Platz für Helden und Hymnen. Da ist immer, wo Glanz ist, auch die Asche. Also die Veränderung der Dinge. Veränderungen in der Stille widmet Charles Wright seine  Worte, nicht dem Verändern  der Stille. Das ist was Selten-Wunderbares. Und selten. Auch in der nordamerikanischen Dichtung.

Bernd Heimberger 
22.01.2008

 
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Das Buch:

Charles Wright: Worte sind die Verringerung der Dinge. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Golisch

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Leipzig: Edition ERATA 2007
174 S., € 17,95
ISBN: 978-3-86660-033-1

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