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Ein Lesegenuss sondergleichen

Miriam, ihr Ehemann Yusuf und ihre beiden Kinder sind auf der Flucht. In ihrer Heimat herrscht Krieg. Und sie glauben sich nur fernab von dieser in Sicherheit vor Hunger, Leid und Tod. Also machen sich die vier auf die gefährliche Reise nach Europa. Die ganze Zeit von der Angst vorangetrieben. Endlich am Ziel, in der Schweiz, angekommen, treffen Miriam und ihrer Familie auf Ablehnung. Sie sehen sich der Arroganz und dem Misstrauen in der schweizerischen Bevölkerung ausgesetzt. Es scheint, als wolle man sie nicht im Land haben. So denkt auch Anna, Miriams Nachmieterin. Sie will mit Flüchtlingen nichts zu tun haben. Sie sieht in ihnen ein Ärgernis, eine Flut, die scheinbar niemand aufhalten kann.

Kurz nach ihrem Einzug entdeckt Anna Miriams Aufzeichnungen ihres Martyriums oben auf dem Küchenschrank. Darin erfährt sie von den unwürdigen Lebensbedingungen im Heimatland, die Angst auf der beschwerlichen Flucht und das bange Warten auf den Asylbescheid. Beim Lesen wird Annas Weltbild nach und nach auf den Kopf gestellt. Ihre Gedanken, ihr Umgang mit dem unter die Haut gehenden Schicksal, ihre Vorurteile und Wut gegenüber "den Ausländern" sowie der allmähliche Sinneswandel werden in eindrücklichen, tief zu Herzen gehenden Worten im Wechsel mit Miriams Erlebnissen geschildert. Und ehe Anna beim letzten Blatt von Miriams Erinnerungen angelangt ist, ist auch für Anna nichts mehr wie zuvor ...

"Flut" - aktueller kann ein Roman derzeit nicht sein. Ruth Wälti erzählt die bewegende Geschichte eines Flüchtlings und berührt mit dieser das Herz jeden Lesers. Ab der ersten Seite brechen sich vermehrt Tränen ihre Bahn. Denn die Autorin schreibt mit viel Emotion. Zwischen zwei Buchdeckeln findet man groß Gefühle im Übermaß - und außerdem ein Leseerlebnis, das man so bald garantiert nicht vergessen wird. Dieses Buch vermag Leben zu verändern. Oder zumindest den Blick auf die Dinge, die um uns herum passieren. Aus der Story spricht Hoffnung, Hoffnung darauf, dass sich stets alles zum Guten wendet. Man darf sie nur nicht aufgeben. Auch dann nicht, wenn man umgeben ist von Schatten.

Während der Lektüre eines Werkes von Ruth Wälti bleibt kein Auge trocken. Diese bedeuten ein Lesevergnügen von emotionaler Intensität. "Flut" packt einen ab dem ersten Satz und lässt einen selbst Stunden, nachdem das Buch längst zugeklappt ist, nicht mehr los. Was man hier in die Hand bekommt, ist Literatur von der ganz besonderen Sorte, nämlich von der besonders schönen.

Anja Rosenthal
12.09.2016

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