Erzählbände & Kurzprosa
Autorin in Angst
Wie fein! Die Frankfurter Verlagsanstalt feiert sich selbst. Die sch?nste Feier eines Verlages sind seine B?cher. Die Frankfurter stellen zum Jubil?um der 25-j?hrigen Existenz des Verlages eine Vase mit den Erz?hlungen von Sylvia Plath auf den Tisch.
Was noch sagen? Sagen zu der Sylvia Plath, die seit einem halben Jahrhundert in der Gefangenschaft des Jubels eingesperrt ist. Das musste ihr auch noch passieren. Einmal gefangen, immer gefangen! Dass es so sein wird, immer, hat sie geahnt und gef?hlt. Und gef?rchtet? Auch das! War?s einer der Gr?nde, am 11. Februar 1963 dem Leben auszuweichen und wegzugehen?
In der geb?rtigen Amerikanerin, die in London starb, ist die Gewissheit des jungen Hermann Hesse gewesen, die er in seinem Gedicht "Im Nebel" einfach und klar formulierte:
"Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamkeit.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein."
Der nicht weniger gef?hrdete Hesse hat ein gesegnetes Alter erreicht. Sylvia Plath nur ein halbes Leben gelebt. Sie wurde frei im 41. Lebensjahr. Intensiv, oft schmerzlich, empfand sie, was sie lebte und erlebte. Sie hat, was und wie sie empfand, die Bedr?ngung und Bedrohung empfunden. Nichts von der Leichtigkeit des Seins also auch im Schreiben. Da muss, kann sich niemand was vormachen. Wer T?uschung und Selbstt?uschung nicht braucht - wie leichtfertig gedacht! - wer mit ihnen existiert, merkt, dass Sylvia Plath unter allen eine andere Autorin war. Und wie das Anderssein war. Die Autorin lebte in Angst. Das Schreiben war ihre Art, die Angst zeitweise zu verdr?ngen. Jahr um Jahr. Bis es ihr reichte.
Es reicht uns, wie sich herausstellte, was sie geschrieben hat. Als Lyrikerin und Erz?hlerin. In den B?nden "Zungen aus Stein" und "Die Bibel der Tr?ume" ist zusammengefasst, was Plath zwischen 1949 und 1957, 1958 und 1962 verfasst hatte. In der Beachtung und Bewertung der Schriftstellerin wird ?bereinstimmend ihre Eigenst?ndigkeit und Einzigartigkeit erw?hnt. Um dann auf eine Linie der Autorinnen des 20. Jahrhunderts hinzuweisen, die, unabh?ngig voneinander, von Europa, Neuseeland bis Amerika, das Wort der Lebensrettungsweg war. Das traf auf die eine oder andere Weise zu. Auf keine so entschieden wie auf Sylvia Plath.
Ein "Amerika, Amerika!" ?berschriebener Text, der, wie so oft, das Ich und Wir zum Thema hat, endet mit dem Respekt f?r den "K?nstler, den Anerkennenden". Da redet sich die Autorin Selbstachtung zu, um die fehlende Achtung der Allgemeinheit zu kompensieren. Das Anderssein, das Plath das Einreihen in irgendeine Linie unm?glich machte, musste sie bis zum bitteren Ende durchhalten. Dennoch, letztendlich, muss sich Sylvia Plath ihrer sicher gewesen sein. Wer die Erz?hlung der 17-40-J?hrigen liest, sp?rt die Festigkeit im Zweifel. In den Selbstbeobachtungen, Selbstbetrachtungen und Selbstbefragungen. Dadurch werden die scheinbar stillen Momente in scheinbar, unscheinbaren Augenblicken und Begegnungen zu besonderen Momenten besonderen Seins. Das hat das Existenzielle im Blick, das Sylvia Plath wirklich wichtig war. Das unterschied sie nicht von vielen, vielen Schriftstellern. Aber wie sie beobachtete, betrachtete und befragte und wie sie das Beobachtete, Betrachtete und Befragte beschrieb, das machte ihre Art, die sie von allen Anderen unterschied.
Literatur, die Literatur ist, bleibt Literatur und schimmelt nie. So war das. So wird das sein mit dem literarischen Werk der Sylvia Plath. Jede neue Generation f?r die Schriftstellerin zu gewinnen, ehrt die, die ihren Ruhm mehren. Also auch den Verlag, der die solide Br?cke zwischen Autorin und Lesern ist. Mit der zweib?ndigen Ausgabe der Erz?hlungen, ehrt sich die Frankfurter Verlagsgesellschaft. Klein, wie der Verlag ist, ist er ein gro?er Literaturverlag. Verdienterma?en, weil er der Entdecker von Literatur ist, die die Leser zum Entdecken einl?dt.
Bernd Heimberger
22.10.2012