Erzählbände & Kurzprosa
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Thematisch gesehen bieten "Hilly?s Literarische Kabinett-St?ckchen" eine weite, ebenso verwirrende wie erfrischende Vielfalt an. Kein Wunder: Der Autor, Hilmar K. Klages, 1929 in Hannover geboren, hat genug Jahrzehnte durchlebt, um aus einem reichen, interessanten Schatz sch?pfen zu k?nnen.
Unter den Erinnerungen stechen jene hervor, die zum Vater Paul Klages zur?ckf?hren. Wir erleben den Vater, im Vergleich mit der ?beraus "quirligen" Mutter als ein eher besonnenes, stilles Naturell von hoher k?nstlerischer Begabung. Die Eltern, die 1977 verstorben sind, scheinen hier sehr stark auf. Vater Klages, den der Autor als musisch veranlagten "Poeten der phantastischen Welt" schildert, ist im Buch mit gekonnten Zeichnungen selber vertreten. Diese bringen von der unbek?mmerten, verspielten und witzreichen Art Paul Klages einiges zutage und geben dem Buch einen best?ndigen Rahmen. Es sind Kunstwerke, im Buch zwar als Kleinformat enthalten, aber in der Aussage gro? geraten. Neben dem gespielt unbeholfenen Strich gibt es den schwungvollen, neben dem einfachen Sujet das ausufernde Bild der Fantasie.
1913 wechselt der Vater, bedingt durch eine Augenkrankheit, zur Musik und vollbringt auch hier Bemerkenswertes, was im Buch sehr sch?n eingefangen wird. Sein Sohn lernt das Hinh?ren: "Seid still! So h?ret Ihr das Leben", ruft der Autor. Es sind ?berlegungen aller Art, zur deutschen Sprache etwa, oder zum ?lterwerden. Dazwischen das im Ged?chtnis eingebrannte Erlebnis mit Oberstleutnant Marquardt, der mit menschlich vorausdenkendem Weitblick den Jungen als Freiwilligen f?r die Reserve-Offiziers-Laufbahn einteilt, was Hilmar K. Klages wohl vor Schlimmem bewahrt haben d?rfte.
Die R?ckblenden leben vor allem von den Begegnungen, etwa mit den Lehrern und deren Schrullen. Es verr?t sich gerade hier ein feiner Schalk, der die Texte durchzieht und nat?rlich hervorragend zu Vaters Bildwerk passt. Daran reihen sich aktuelle Themen: Erderw?rmung, Europ?ische Union, Geld, Finanzsteuer, Bew?ltigung der gro?en Krisen. Dazu die Warnung an alle, die das Sagen haben: "Handeln sie zu sp?t oder gar nicht, ist die Krise unser Manager."
Dann aber, wie eine ?berraschende S??speise nach vollwertiger Kost, ein Exkurs in die Welt des Whiskys. Es ist zwar nirgends festgehalten, aber es l?sst sich nicht anders denken: Hier offenbart sich eine pers?nliche Leidenschaft, eine Freude des Autors im Umgang mit diesem gehaltvollen Trank. Das muss wohl so sein.
Und jetzt zeigt der zweite Untertitel des Buches seine volle Berechtigung: "Ein literarischer Regenbogen". Das Ganze pr?sentiert sich somit als kreisende Bewegung um Wichtiges und Auff?lliges im gelebten Leben. Man muss als Leser etwas Offenheit mitbringen, um diesem Bogen nachgehen zu k?nnen. Man folgt einem Autor, der sein Ich nie aufdringlich in Position setzt, aber das Gesagte doch bewusst zu pr?gen wei?. Das ist grunds?tzlich gutes Autorenverhalten, darf man sagen. Jedenfalls lesen sich die Texte freundlich und leicht. Man darf getrost mit gesunder Neugier zu lesen beginnen und wird mit der Einsicht aufh?ren, etwas Eigenwilliges erlebt zu haben.
Ronald Roggen
29.05.2012