Erzählbände & Kurzprosa
Liebe , Wünsche , Träume und die Realität
Ruth Bierawski studierte Deutsch und Pädagogik und arbeitete danach als Lehrerin. Seit nun mehr zwanzig Jahren beschäftigt sie sich schreibend mit Lyrik und Prosa. Ihre Texte wurden in Anthologien und Zeitungen veröffentlicht. In diesem Büchlein sind Erzählungen und Kurzgeschichten zusammengefasst, die sowohl traurig als auch nachdenklich stimmen und nur selten erheitern.
Alles beginnt mit der "Kindheit im Schatten". Einer Erzählung über das Leben einer Familie, die ihr geliebtes Kassel verlassen muss und während den Kriegswirren nach Thüringen übersiedelt - ohne zu ahnen, welche einschneidenden Folgen für ihre Freiheit das haben wird. Doch zuvor bringt die junge Thyra drei Kinder zur Welt, die wohlbehütet aufwachsen, aber leider ohne den Vater, der im Krieg dient. Entbehrungen sind an der Tagesordnung und Wünsche bleiben unerfüllbare Träume. Als der Vater endlich heimkehrt, ist er in jeder Hinsicht verwandelt. Die Familie zerbricht an seinen folgenschweren Sünden, doch Thyra kämpft für ihre Kinder, die wieder einmal umsiedeln müssen und gleichzeitig erfahren, dass Großeltern und Tanten nicht immer das sind, was sie sein sollten. Ulrike, eines der drei Kinder spielt in der Erzählung die tragende Rolle. An ihrem Schicksal wird bewusst, wie schreiend ungerecht die Welt manchmal war und noch immer sein kann.
In der titelgebenden Kurzgeschichte: "Eine Liebe über Grenzen - eine grenzenlose Liebe" versucht ein junges Paar aus Ost und West vergeblich zueinander zu finden. Auch eine Republikflucht misslingt. Unendlich viele Jahre später kommen beide wieder zusammen. Sie haben sich nacheinander gesehnt und andere mögliche Partner verschmäht. Und endlich kommen sie zusammen. Doch das Glück währte nur von kurzer Dauer.
Der Prosaband bietet Platz für die unterschiedlichsten Geschichten. Eine von ihnen erzählt vom Für und Wider des Anschaffens eines Haustieren - sentimental und anrührend pro Hund, aber auch unumwunden realistisch kontra Hund. Erlebnisse wie ein chaotischer Geburtstag, Mobbing am Arbeitsplatz, aber auch die schwierige Beziehung zwischen einem Vater und seiner Stieftochter haben in "Eine Liebe über Grenzen - eine grenzenlose Liebe?" ihren Eingang gefunden.
Ruth Bierawski schreibt sehr zielstrebig, was dem roten Faden ihrer Geschichten sehr dient. Jedoch birgt die Erzählweise sehr häufig lange Sätze, die das zügige Lesen erschweren und den so gut durchdachten Fluss stören. Aber kaum hat man einen richtigen Zugang gefunden, schon taucht man in die Erzählungen und begleitet die Charaktere auf ihren Wegen. Wege, die mitunter sehr beschwerlich und einsam sind. Wege, die beharrlich gegangen, doch nicht zum Ziel führen. Wege, die anders enden, als sie begonnen wurden.
Gern erzählt die Autorin aus der Zeit des Mauerfalls, der ein wenig das Hier und Jetzt verdrängt. Es sind die Geschichten von früher, die wehmütig machen, traurig zurückblicken lassen, die Gegenwart ausblenden. Man versinkt ein wenig in der erzählten Zeit und kann sich nur langsam wieder daraus befreien. Die Geschichten entführen uns stets in eine Welt, die nie so ist, wie man sie gern hätte. Und wenn sie dann doch mal Lebenslust versprühen, werden sie im Keim erstickt durch das Schicksal, welches uns zuteil wird. Wir können planen so viel wir wollen, wir müssen das Leben nehmen, wie es kommt, und das Beste daraus machen, auch wenn es mit unseren Vorstellungen nicht konform geht. Wir dürfen uns den Lebensmut nicht nehmen lassen - ein deutlicher Tenor, der aus den Texten hervorgeht.
Die Autorin hat sich für Geschichten entschieden, die von kämpfenden Frauen erzählen, von unglücklichen Beziehungen, von unerfüllten Wünschen und Träumen, von der harten Realität. Sie zeigt die gesellschaftliche Wirklichkeit auf, die geprägt ist von Ehebruch, Mobbing, Alkoholkonsum, Ehekrisen, finanziellen Nöten und unerfüllter, wahrer Liebe. Aber manchmal kommt auch kurzweilige Heiterkeit auf in Form von realistischem Humor.
Tanja Küsters
18.04.2011