Erzählbände & Kurzprosa
Der Meister des Schaurig-Schönen meldet sich zurück
Er gilt als Gro?meister der Schauerliteratur, dem es mit wenigen Worten gelingt, vor den Augen des Lesers Gruselszenarien entstehen zu lassen, ohne dabei auf Effekthascherei oder ?bertriebenen Horror setzen zu m?ssen. Die Rede ist von niemand geringerem als Edgar Allan Poe. Wenn es in dem Gedicht "Der Rabe" "Nimmermehr" hei?t, stellt sich ganz von allein G?nsehautfeeling ein. So ergeht es einem auch bei "Unheimliche Geschichten", einem in schwarzem Leder gehaltenen Erz?hlband, mit dem das Berliner Verlagshaus Jacoby & Stuart dem geb?rtigen US-Amerikaner ein opulentes Denkmal setzt.
Sieben Geschichten, eine d?sterer als die andere, bringen das Herz des Lesers m?chtig zum Klopfen und einen kalten Luftzug in die warme Wohnstube. Auch wenn man hier beispielsweise auf "Die Grube und das Pendel" leider verzichten muss, so verbirgt sich doch auf den 152 Seiten das ein oder andere facettenreiche Juwel f?r einen ruhelosen Leseabend. So wird eine junge Frau lebendig begraben, Totgeglaubte erwachen wieder zu Leben und ein "verr?terisches Herz" zwingt einen M?rder zum Gest?ndnis. Es geht um Liebe und Hass, Tod und Leben, Schrecken und Angst - allesamt Gef?hlsempfindungen, die man im Alltag immer wieder trifft und die unser Dasein so lebenswert machen. Einfach typisch Edgar Allan Poe!
Das Cover zu "Unheimliche Geschichten" spiegelt in seiner Schlichtheit und doch anmutigen Eleganz das wider, was einem beim Aufschlagen dieses Buches erwartet. Damit steht Illustrator Benjamin Lacombe dem Schauergeschichten-Erz?hler Poe in Nichts nach. Die Bilder sind von gespenstischer Sch?nheit, die die Erz?hlungen mit schlichten Mitteln perfekt in Szene setzen und dabei den Kern der Story f?r den Leser festhalten. Dunkle Farben, blasse Hautnuancen und ein Hauch von Witz beinhalten Lacombes gro?artigen "Portr?ts", die dieses kleine B?chlein zu einem echten Meisterwerk des Schauers machen.
In "Unheimliche Geschichten" bekommt der Leser nur einen kleinen Einblick in Edgar Allan Poes Schriftstellertum und zugleich in seine dunkle Seele, die Au?enstehenden etwas makaber erscheinen mag. Und trotzdem genie?t man jede Erz?hlung bis zum letzten Wort - und hat doch Angst etwas zu verpassen, wenn man in diese eintaucht. Mit diesem Buch wird Poe neuerlich seinem Ruf gerecht, der Meister des Schaurig-Sch?nen zu sein. "Unheimliche Geschichten" ist ein kleines posthumes Denkmal an den gro?en Geschichtenerz?hler, das dem Leser wie ein kleines Halloween-Fest f?r alle Sinne erscheint. Ein toller, eiskalter Schauer f?r jeden, der f?r einen kurzweiligen Abend sorgt.
Susann Fleischer
06.12.2010