Erzählbände & Kurzprosa

Hier wird es hart

F?nfundzwanzig Erz?hlungen und Prosast?cke hat Michael Lentz in diesem Band versammelt und sie den Kapiteln Weltgeschichte, Abseits und Muttersterben zugeordnet. Die titelgebende Erz?hlung findet sich erst am Ende, aber auch in den Miniaturen von Weltgeschichte und Abseits erscheinen immer wieder und v?llig unerwartet, wie aus heiterem Himmel, Hinweise auf den Tod der Mutter des Ich-Erz?hlers.

Wie geht es Ihrer Mutter? W?rden Sie "muttersterben" vielleicht des Titels wegen bestellen, sozusagen zur Begleitung und Unterst?tzung? Dann erwartet Sie erst einmal ein Schock. Die durchgehende Kleinschreibung des Textes signalisiert: Hier ist nichts leicht, nichts vers?hnlich. Hier wird es hart. Neongr?n und grellorange springt Ihnen die Schrift des Covers entgegen und wenn Sie das Buch neben einer Lampe liegengelassen haben, erschrickt es Sie im Dunkeln durch einen nachhaltigen Leuchteffekt und ruft Ihnen zu: MUTTERSTERBEN! - Ein Kompliment an die Buchherstellung! Dies Buch ist ungew?hnlich, sorgf?ltig und gekonnt gestaltet.

Darmkrebs. Ein Sterben, das viereinhalb lange Jahre dauert. Michael Lentz erz?hlt lakonisch, geradezu schnodderig, und erweitert ?brigens mit der Vokabel Verschwinden das Repertoire der ?blichen Sterbe-Euphemismen wie Verscheiden, Von-uns-Gehen, Einschlafen, Entschlafen, Verlassenhaben, Versterben. Mutter verschwand am zwanzigsten August neunzehnhundertachtundneunzig gegen dreiundzwanzig uhr und f?nfzig minuten. Am einundzwanzigsten August neunzehnhundertachtundneunzig gegen acht uhr und drei?ig minuten rief Vater an und teilte es mit: 'Mutter ist gegen dreiundzwanzig uhr und f?nfzig minuten diese nacht gestorben.' Ich ging ins bett zur?ck und setzte die am abend zuvor unterbrochene lekt?re des entencomics fort. Mit dem verschwinden von mutter war lange gerechnet worden."

Wer hier nicht emp?rt aufgibt, sondern sich einl?sst auf den zornigen jungen Autor, der entdeckt den Schmerz, die Betroffenheit, seine Liebe zur Mutter. Dieses lange Sterben und die Pers?nlichkeitsver?nderung seiner Mutter mit ansehen zu m?ssen, ?berfordert ihn, und er reagiert scheinbar lieblos. Doch darunter wird er als der Sohn sichtbar, der ihr tief verbunden ist. Allm?hlich auch beginnt er, von ihr zu erz?hlen - aus den Zeiten als sie noch sie selbst war, noch nicht ver?ndert durch die Krankheit, und er zeichnet ein zartes, liebevolles Portrait.

Schon in der ersten Erz?hlung, im Zyklus Weltgeschichte, hei?t es: Und einmal wird ein engel kommen der deinen namen ruft. Und dieser engel ist eine wolke dann, ein sonnenlicht, ein apfelbaum. Und dieser engel ist ein gartenvoll lachen auf dem gesicht Deiner Mutter. Und dieser engel ist das lachen Deiner Mutter.

fms
24.07.2002

 
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Das Buch:

Michael Lentz: Muttersterben. Prosa

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Frankfurt a.M.: S.Fischer Verlag 2002
186 S.
ISBN: 3-10-044810-3

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