Erzählbände & Kurzprosa

Eleganz und Ekel

Kennt Josef Winkler Friedrich Wolf? Kennt er die Barrikaden-Rede "Kunst ist Waffe", die Wolf 1928 auf dem Gründungskongress des "Bundes der proletarisch-revolutionären Schriftsteller" hielt? Das war eine Rede, die Auflehnung, Abrechnung und Auftrag in einem war. Josef Winkler, Büchnerpreisträger 2008, ist kein Barrikadenkämpfer. Dennoch ist er auf eine Barrikade geklettert. Nicht, um seine Wut als propagandistischer Pamphletist in die Welt zu schmettern. Winkler ist kein Wolf! Winkler formt aus dem Wort keine Gewehrkugeln. Winklers Mund ist kein Maschinengewehr. Der österreichische Autor ist, immer und zuerst, der poetische Prosaist. Auch, wenn seine Themen das Politische, die Politik, die Politiker sind. Mit seiner "Klagenfurter Rede zur Literatur" ist Winkler auf die Barrikadekanzel gestiegen.

Knapp vier Wochen nach der Tat wurde die Rede als Sonderdruck der edition suhrkamp veröffentlicht. Auch so sorgt sich der Noch-Frankfurter Verlag um den Autor, um die Literatur, um die Öffentlichkeit. Ein Bravo nicht nur für den Verfasser! Ein Bravo auch für den Verlag! Winklers Rede gehört allen, die Winkler sowieso mögen und allen, denen die mäßigen, mangelhaften Vermittlungen des Feuilletons zu dürftig sind. Die Rede gehört allen, die die Literatur lieben. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, mit "seinem" Autor und mit vielen Anderen in einer Reihe zu stehen.

Josef Winkler ist kein dreinschlagender Polemiker. Er ist, wenn schon, ein poetischer Pamphletist. Die Rede ist "Der Katzensilberkranz in der Henselstraße" überschrieben. Wer würde hinter so einem freundlich-friedlichen Titel ketzerisches Treiben vermuten? Die Henselstraße in Klagenfurt, Hauptstadt des Kärntner Landes, ist die Straße, in der Ingeborg Bachmann aufwuchs. Die Straße, die Stadt sind dem Nun-Auch-Klagenfurter Winkler vertraut. So vertraut, dass ihm keiner mehr ein X für ein U vormachen kann im schönen Kärnten. Im schönen Klagenfurt, das alljährlich im Juni zur „deutschsprachigen Literatur-Hauptstadt“ mutiert, wie sich der Redner, als Beteiligter des Betriebes gut begründet, mokiert. So ist er gefeit gegen den simplen Vorwurf, ein Nestbeschmutzer zu sein. Das von den Medien gerühmte Klagenfurt, mit einhunderttausend Einwohnern, ist eine Stadt ohne Stadtbibliothek. Wem bleibt da nicht die Spucke weg? Wer wusste das? Ingeborg Bachmann wusste, was sie an der Stadt ihrer Jugend hatte. Richtiger: nicht hatte. Winkler zitiert wieder und wieder die Dichterin, deren besinnliche, sinnige, beziehungsreiche Erinnerungsworte alles andere als Lobeshymnen formulieren. Wie auch Winklers Worte keine Worte sind, die einladen, sich auf eine schöne Parkbank, in einem schönen Park, im schönen Klagenfurt zur besinnlichen Betrachtung niederzulassen. Wenn auch zunächst dieser Anschein erweckt wird. Nach Winkler-Art! Seite um Seite wird jeglicher schöne Schein zerstört. Nicht durch Winkler. Engagiert und entschlossen weist er auf Zerstörungen der gesellschaftlichen Kultur hin. Die Zerstörer haben ihre Namen, die jeder kennt, die der Redner nicht in den Mund nimmt. Mit der Eleganz, die seine Sprache stets hat, artikuliert er seinen Ekel vor den Ekeln und dem Ekligen. "Größenwahnsinnig" nennt der Autoren die alles verheerenden Amtsbrüder in den politischen Ämtern, die uns alle verwalten.

Josef Winklers Schrift-Rede oder Rede-Schrift ist keine Sensation. Sie ist jedoch ein Bekenntnis. Eindeutig, eindringlich, wie Bekenntnisse viel zu selten von Schriftstellern kommen. In seiner geistigen Verbundenheit ruft sich Winkler nicht nur Ingeborg Bachmann an seine Seite. Böll wird eingereiht. Der Heinrich Böll, der sagte: "... es gibt auch Gewalt und Gewalten, die auf der Bank liegen und an der Börse hoch gehandelt werden." Der Rest kann nicht nur Schweigen sein. Josef Winklers Worte sind mehr als ein schnell vorüberziehender "Wirbel".

Bernd Heimberger
27.07.2009

 
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Das Buch:

Josef Winkler: Der Katzensilberkranz in der Henselstraße. Klagenfurter Rede zur Literatur. Sonderdruck

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Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2009
34 S., € 5,00
ISBN: 978-3-518-06132-9

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