Erzählbände & Kurzprosa
Schlüssel Sprache
Liegt die Last des Lebens als Last auf dem Leben, gibt’s nicht viel zu lachen im Leben. Schon gar nicht über das Leben. Ist das Leben denn etwas Lächerliches? Manchmal scheint es so. Kein Grund dann, über das Lächerliche zu lachen? Zumindest zu lächeln? Satiriker jeder Sorte heben Last lachend auf.
Der Schriftsteller Johannes Jansen ist kein Satiriker keiner satirischen Sorte. Er ist ein strikter, ziselierender Stilist, der den Ernst der Sprache mit seiner Ernsthaftigkeit schützt. Da ist nichts von lockerer Vergnüglichkeit. Und was vom Vergnügen des Unterhaltsamen? Wen will der Schrift-Setzer unterhalten, sofern er unterhalten will? Sicher nicht im herkömmlichen Sinne! Zumindest nicht in diesen Jahren. In den Jahren eines Mannes, der sich der Mitte der Vierziger nähert. Der – war’s nicht gestern? - als Autonomster aller Autonomen galt, die in den Achtzigern des Vorjahrhunderts in der abtauchenden DDR auftauchten? (Was auch ein Zeichen war, das nicht wahrgenommen wurde?)
Die Autonomie des Johannes Jansen scheint unantastbar. Daran lässt auch die Sammlung von fünfzig Texten keinen Zweifel, die radikal in ihrer rigorosen Reduktion sind. Unter dem Titel „Im Durchgang“ (!) erschienen, werden die Prosastücke „Absichten“ genannt. Absichten - das klingt wie ein Peitschenknall. Absichten welcher Art? Sind es die Absichten eines Absichtslosen? Sind es die Alternativen eines Alternativlosen? Sind es die Sätze eines Schweigsamen, der noch einmal spricht? Sind es die Worte eines willigen Wortverweigerers, der sich noch einmal Worte zurechtlegt? Ist alles, was da ist, die gebündelte Resignation eines Resignativen?
Johannes Jansen bringt sich zum Sprechen. Wie immer, wenn ihn die Sprache zum Sprechen bringt. Wie immer, wenn er die Sprache sprechen lässt. Die Sprache ist Jansens Leben. Sein Leben lebt die Sprache. Verlässt Jansen die Sprache, verlässt ihn das Leben? Um im Leben, um in der Sprache zu bleiben, werden fortgesetzt Absichten und Absichten geäußert. Letztendlich, um „letzte Verlassenheit zu beseitigen“, die stets ist. Herausforderung an einen Herausgeforderten, um der Verlassenheit einen Ausdruck zu geben. Auch deshalb beginnt der Dichter „immer noch einmal zu sprechen“. Auch deshalb wird in die Gedanken hineingegangen, „den einzig begehbaren Raum“, um mit Gedanken herauszukommen. Von Durchgang zu Durchgang! Von der Geburt zum Tod. Durch den Durchgang Leben. Wenn kein Wohlbehagen ist, muss wohl Unbehagen sein. Im Sprechen über das Unbehagen ist die Geduld des Autors. Solange nicht Gleichmut triumphiert. Solange Gleichmut nicht die Gedanken blockiert. Solange Jansen auf sich hält und sich offen hält. Den Schlüssel Sprache fest in der Hand. Gelesen werden müssen die Texte von Johannes Jansen, wie Gedichte gelesen werden. Langsam, laut. Wort für Wort. Auf ihren Nachhall horchend, um mitzubekommen, was klingt und weiterschwingt. Um in den Sinnen was zu behalten und zu bewahren. Um nicht ohne stabile und stabilisierende Beziehungen und Bindungen zu leben. Um sich zu ermutigen, sobald das liebe Leben mal wieder nur Last scheint.
Bernd Heimberger
03.02.2009