Erzählbände & Kurzprosa
Spöttischer Streiter
Sind allzu altfränkisch aufgemacht, die Eulenspiegel-Bücher mit den gesammelten Anekdoten berühmter Politiker, Philosophen, Historiker, Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler. Anekdoten locken und lohnen immer. Egal, von wem die Anekdoten kommen und wie sie angeboten werden. Zum Beispiel die "Anekdoten von Bismarck". Einfach Bismarck! Ein politischer Koloss, der 1871 mit seiner kräftigen politischen Pranke das deutsche Reich schmiedete. Ein Hüne von fast zwei Metern, dessen Vornamen kaum mehr jemand kennt. Otto, dem großen Einigungs- und Einheitskanzler, hat Margarethe Syring das Gewand der Anekdote an- und umgelegt. Kein fließender, leicht im Wind der Geschichte wallender Stoff. Der vermeintliche Glanz des Streiters und Spötters hat etwas Mattes. Syring hat stabiles Gewebe bevorzugt, will doch die Anekdotensammlerin dem Anspruch des Mannes zur absoluten Aufrichtigkeit nichts von der Aufrichtigkeit rauben. Wie die gelieferten Bismarck-Anekdoten sind, sind sie meist von groben Fäden des Didaktischen durchwebt. Nicht unbedingt das, was die Anekdote zur besten Anekdote macht. Zu selten kommen die Anekdoten leichtfüßig, locker daher. Zumeist klebt ihnen krumiger Ackerboden an den Sohlen. Der Witz der Anekdoten ist so massiv-eisern wie der „Eiserne Kanzler“ gewesen sein soll. Soll! Die chronistische Anekdotensammlung lässt keinen Zweifel, dass Bismarcks Lebenslauf durchaus anekdotisch akzentuiert war, aber keinesfalls eine Abfolge anekdotischer Arabesken. Der zum Sarkasmus neigende Kanzler Nummero Eins wird eher beschworen, als er zu hören ist. Dass der "tolle Bismarck" tatsächlich ein toller Hecht war, muss sich der Leser hinzudenken. Um dann festzustellen, wie gelassen-toll doch der Greise der "letzten Jahre" gewesen ist. Sofern er so gewesen ist, sofern nicht alles nur Anekdote ist.
Bernd Heimberger
16.02.2009