Erzählbände & Kurzprosa
Kling kann Comic: Kleinkünstler, Känguru & Co machen mehr als froh
Klingelt ein kommunistisches Känguru bei einem Kleinkünstler, bittet ihn erst um alle Zutaten für Eierkuchen und nistet sich dann in seiner Wohnung ein: Das ist nicht der Anfang eines Witzes, sondern Marc-Uwe Klings Beginn als Erfolgsautor. Der Berliner hat nicht nur bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht, in denen es um das eigenwillige Beuteltier geht, sondern es auch bereits auf die große Leinwand gebracht. Zusammen mit dem Zeichner Bernd Kissel erschienen die Abenteuer von Kleinkünstler, Känguru & Co auch auf "ZEIT online". Der Sammelband "Die Känguru-Comics 2 - Du würdest es eh nicht glauben" enthält dabei alle Comicfolgen aus den Jahren 2022 und 2023.
Im Mittelpunkt der kurzen Comicstrips, die sich oft nur über eine Halbseite erstrecken, stehen natürlich Känguru und Kleinkünstler. In diesen gewinnt Marc-Uwe Kling nicht nur dem Alltag, sondern auch Klimakrise, Corona und Politik sowie unserem Umgang damit immer wieder komische Seiten ab. Genauso finden sich aber auch klassische Slapstickeinlagen oder Meta-Witze, bei denen etwa die Produktionssituation der Comics zum Thema wird. Besonders komisch wird es etwa, wenn sich Autor und Zeichner nicht über den Inhalt der Folgen einigen können, sodass sich Text und Bild in unterschiedliche Richtungen bewegen.
Es gibt darüber hinaus aber auch immer wieder Folgen mit dem aus dem Känguru-Universum bekannten Friedrich-Wilhelm und dessen Familie. Hier ist der Humor oft etwas konventioneller und bezieht sich meistens auf Familienbeziehungen. Richtig witzig sind dafür die - leider viel zu wenigen - Geschichten über die Kuh Anon. In diesen nimmt Kling, wie das Wortspiel mit dem Tiernamen bereits vermuten lässt, Verschwörungsmythen und deren Anhänger gekonnt aufs Korn. Weitere Comicstrips thematisieren zudem das fiktive Leben von Elon Musk und Jeff Bezos in einer Raumstation auf dem Mars. Für Fans gibt es auch ein Crossover mit anderen Werken Klings. Auch wenn Kleinkünstler, Känguru und Kuh oft für die größten Lacher sorgen - und immer wieder auch zum Nachdenken anregen - sind auch die anderen Comicstrips meistens sehr amüsant.
Bernd Kissel ist für die optische Gestaltung des teils in Farbe gedruckten Comics verantwortlich. Dabei leistet der in Saarbrücken geborene Künstler aber viel mehr, als nur schmückendes Beiwerk zu Marc-Uwe Klings Ideen zu liefern. Denn seine Zeichnungen unterstreichen nicht nur die Pointen des Autors. Einige Gags funktionieren auch nur durch seine ansprechend gestalteten Zeichnungen. Das ist etwa der Fall, wenn er den Kleinkünstler - als ironisch-komischer Verweis auf das Schlussbild der Lucky-Luke-Comics - auf seinem Känguru in den Sonnenuntergang reiten lässt. Vor allem Kissels Gestaltung der Mimik des Kängurus überzeugt und auch die dargestellten Politiker lassen sich gut erkennen. Echte Hingucker sind die Folgen, in denen er die beiden Hauptfiguren als klischeehafte Mangafiguren porträtiert. Für einige Comicstrips darf Kissel Kling sogar als Autor vertreten und punktet hier ausgerechnet mit Wortwitz. Einige seiner Panels hätte der chronisch überlastete Zeichner aber gerne detailreicher gestalten dürfen.
Auch für alle, die bereits sämtliche Comicfolgen bei "ZEIT online" gelesen haben, bietet der Sammelband noch Neues. Denn es gibt Bonusmaterial, das - anders als das Cover ironisch suggeriert - gar nicht überflüssig ist. Dabei sticht die leicht modifizierte Comicversion des allerersten Kapitels der "Känguru-Chroniken" in Farbe heraus.
Kling kann (auch) Comic - auch weil der Berliner mit Bernd Kissel den passenden Partner hat. Zusammen kreieren beide kleine, aber feine sowie fast immer witzige Comicstrips - einige auch mit politischer Botschaft - die sich durch einen hohen Wiederlesewert auszeichnen.
Ingo Gatzer
13.05.2024