Erzählbände & Kurzprosa

Von Drachentötern und Schwerenötern

Sie gehören zum Bildungsgut - aber wer hätte gedacht, dass die deutschen Heldensagen so spannend, zugleich so komisch erzählt werden können? Frei von altertümelndem Bardendeutsch, dafür mit viel Gespür für alle peinlichen Details, an denen andere Nachdichter entweder jugendschonend oder pathetisch vorübereilten, erzählt Stefan Schwarz in "Als Männer noch nicht in Betten starben" die deutschen Heldensagen. War der kühne Siegfried ein eitler Gockel mit Hang zu schlechten Scherzen? Die schöne Kriemhild eine üble Bitch? Ihr Bruder Gunter ein geldgeiler Sack? Und der finstere Hagen in Wahrheit ein Staatsmann mit großem Weitblick und, nebenher, unverhohlen homoerotischen Neigungen? Welche Bad Bank hat das Rheingold verzockt, und wer war eigentlich diese Tante Edda?

Fünf "Storys", gewürzt mit Illustrationen von Tanja Székessy, lassen den Leser schier ausflippen vor Leseeuphorie. Mit ironischem Blick für die moralischen Ungeheuerlichkeiten dieser Geschichten lässt Schwarz die Figuren des deutschen Sagenkreises wiederauferstehen, nicht als strahlende Recken oder huldvolle Damen, dafür etwas dreckig, lebensprall, ungewöhnlich nachvollziehbar und mit einem losen Mundwerk sondergleichen. Dabei kriegt u.a. Drachentöter Siegfried, berühmt-berüchtigt aus der Nibelungensaga, sein Fett weg, ebenso wie Dietrich von Bern (Hildebrandslied) oder Wieland der Schmied. Im Mittelalter war einiges los, und dank Schwarz nun, zumindest für einen Lesewochenende lang, auch in der Neuzeit. Wer nicht innerhalb weniger Sätze lacht, hat keinen Sinn für Humor.

Ein Buch für alle, die vergessen haben, was genau sich damals zugetragen hat, und die nun auf amüsante Weise Bildungslücken stopfen wollen: klug und hintersinnig in die Gegenwart übertragen und zugleich die komischste Nachdichtung, die man sich vorstellen kann. Auch unsterbliche Geschichten leben nur weiter, wenn man sie immer wieder neu erzählt.

Literatur, die frischen Wind ins Bücherregal bringt - die Bücher aus Stefan Schwarz´ Feder sind alles, aber ganz sicher nicht nullachtfünfzehn. Es ist die reinste Freude, die zu lesen, denn in diesen schlägt der Humor Kapriolen. In "Als Männer noch nicht in Betten starben" wird dieser sogar auf die Spitze getrieben. Zwischen zwei Buchdeckeln steckt nicht nur herrlichste Unterhaltung, sondern darüber hinaus werden Legenden endlich entmystifiziert. Diese sind nämlich nicht so anders als der Homo saphiens des 21. Jahrhunderts, mit all den gleichen Problemen. Dieser Erzählband hat echt Stil. Die Geschichten sorgen für Kurzweil im Alltag. Und lustiger kann man seine Bildungslücken definitiv nicht füllen. Hier kann man nicht anders, als zu jubeln bis zum Geht-nicht-Mehr.

Lesen macht Spaß, noch dazu richtig amüsanten, wenn es sich bei der Lektüre um ein Buch von Stefan Schwarz handelt. Langweilig wird es ab dem ersten Satz von "Als Männer noch nicht in Betten starben" garantiert nicht. Denn diese "Sammlung" deutscher Heldensagen ist eine Wundertüte. Diese überrascht mit spritzigstem Wortwitz und unbändigster Fabulierlust über viele, viele Stunden lang. Hurra, solch ein originelles Lesevergnügen begeistert über alle Maßen.

Susann Fleischer
12.11.2018

 
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Das Buch:

Stefan Schwarz: Als Männer noch nicht in Betten starben. Deutsche Heldensagen

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Berlin: Rowohlt Berlin 2018
448 S., € 20,00
ISBN: 978-3-7371-0035-9

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