Erzählbände & Kurzprosa
Magische Wartezeitverkürzung
Wer Fantasy mag, kennt bestimmt die Romanreihe "Die dunklen Fälle des Harry Dresden" von Jim Butcher. Leider teilt der US-Autor mit anderen Genre-Größen wie George R.R. Martin oder Brandon Sanderson eine schlechte Angewohnheit: das Verschieben von Erscheinungsterminen. So sollte der neue Roman der Reihe, "Friedensgespräche", längst vorliegen. Schließlich sind inzwischen fast vier Jahre vergangen, seit Butcher mit "Blendwerk" den fünfzehnten Teil der Serie verfasst hat. Angeblich sollen die Friedensgespräche im Dezember dieses Jahres endlich beginnen. Immerhin können sich Fans nun mit "Im Auftrag des Yeti" die Wartezeit verkürzen.
"Im Auftrag des Yeti" enthält insgesamt drei Kurzgeschichten, die durch ein gemeinsames Thema verbunden sind. Sowohl in "Y wie Yeti" als auch in "Eine haarige Angelegenheit" und "Ein Yeti auf dem Campus" soll der Magier den halbmenschlichen Sohn eines dieser legendären Giganten vor unterschiedlichen Gefahren beschützen. Interessant ist es dabei für den Leser zu beobachten, wie sich die Beziehung zwischen Yeti und Magier verändert und aus dem Klienten eine Art Freund wird.
Alle Geschichten spielen zu unterschiedlichen Zeiten im Leben von Harry Dresden. Die erste Story ist ein guter Einstieg, auch weil sich Butcher relativ viel Zeit nimmt, das Zusammentreffen mit dem Yeti zu beschreiben. Hier finden sich zudem bereits einige der komischen popkulturellen Referenzen, mit denen der Autor bei seinem Publikum regelmäßig für Lacher sorgt. Dresdens Gegenspieler hätte jedoch etwas mehr Raum und Hintergrund bekommen dürfen und das Ende ist insgesamt wenig spektakulär geraten. Dafür besticht die Auflösung der zweiten Story durch ihre unerwartete Komik.
Bei der dritten Geschichte variiert Jim Butcher gekonnt die Struktur, indem er diese seinen Helden rückblickend erzählen lässt. Das sorgt für willkommene Abwechslung, zumal sich die ersten beiden Geschichten im Aufbau doch sehr ähneln. Allerdings wirken einige Ereignisse durch diesen Kunstgriff nicht ganz so überraschend, weil der Leser frühzeitig davon erfährt oder mit ihnen rechnet. Dafür kommen hier Fans von magischer Action deutlich mehr auf ihre Kosten, als es bei den ersten Storys des Bandes der Fall ist.
Somit lässt sich "Im Auftrag des Yeti" insgesamt mit Genuss lesen, auch wenn viele Leser an einigen Stellen die aus den Romanen bekannten Wendungen und die größere Tiefe vermissen dürften. Etwas irritierend fällt allerdings der Verkaufspreis aus. Der beträgt nämlich 9,95 Euro obwohl das kleine Büchlein nur 168 Seiten umfasst. Zum Vergleich: Der letzte Roman der Reihe kostete zwar knapp 16 Euro, war aber auch mehr als viermal so lang.
Auch wenn die Kurzgeschichten über den Magier Harry Dresden qualitativ nicht ganz mit den hervorragenden Romanen mithalten können, sind sie für Fans dennoch eine sehr unterhaltsame Gelegenheit, die Wartezeit bis zum Erscheinen des nächsten Buchs zu verkürzen.
Ingo Gatzer
03.04.2018