Dramen

Männer als praktisches Tauschobjekt

Willy W. Wolltähr hat ein 58 Seiten zählendes Buch vorgelegt, das schon durch die Betitelung die Szenerie aufreißt. Auf "Befreiungsschlaganfall oder Sie wechselt den Partner" folgt ein ausführlicher Untertitel: "Ein böses Bubenstück für zwei Darstellerinnen und einen Darsteller". Damit ist schon einiges aus der Handlung verraten, der es erwartungsgemäß nicht an Dynamik fehlt.

18 Szenen, wenige Male unterbrochen durch ein Intermezzo, kreisen um die Beziehungswelt und die Liebe. Und sie gehen nicht eben zimperlich mit dem Stoff um. Die Sprache ist denn auch ungeschminkt und "unverzärtelt", also direkt und schonungslos. Es sind Dialoge, meistens kurze und damit sehr rasche Wortwechsel, nur selten vertiefend ausgeführt. Der Autor selber spricht von einer bewusst gehandhabten "hölzernen Kunstsprache", deren "Befremdlichkeit die Entfremdung zwischen den Ehepartnern" deutlich mache. In der Tat verkommen die Männer zu handlichen und praktischen Tauschobjekten. Inwieweit sich daraus eine Anklage an jemanden, an die Erziehung oder an die ganze Gesellschaft herauslesen lässt, können die Leserinnen und Leser selber entscheiden. Möglicherweise erschreckt das Buch eben gerade dadurch, dass es die Anklage sein lässt.

Wolltähr greift nicht nur ins Steuer der Szenen und Sequenzen, was sein gutes Recht ist, er macht auch Regieanweisungen, wie etwa jene, den Text zu Fragen werden zu lassen und eine "Art absurdes Ballett" aufzuführen. Für die Leserinnen und Leser, die das Stück nicht auf der Bühne gut visualisiert vorgeführt bekommen, sind diese eine willkommene Verständnishilfe, auch wenn sie dirigistisch und den Schauspieler bevormundend wirken mögen.

Ein Vergnügen sind jedenfalls die Wortschöpfungen. Roberte, die abtrünnige Ehepartnerin, himmelt nur noch ihre "Hochgeschlechtskollegen" an: Als "befreite Zeitgeistfrau" müsse sie sich selbst "durchbehaupten" und "durchverwirklichen". Schuldzuweisungen ignoriert sie: Wer das "schwindelerregende Wagnis eines Eheabenteuers" eingehe, müsse auch mit seinem "Verscheitern" rechnen. Auch dass der verlassene Partner "sich selbstmorden" will ("tiefstürze mich von den Brücken oder querspringe vor den Zug"), lässt sie kalt. 

Nicht nur Blindheit, Euphorie und Illusionen zu Beginn der Ehe führen zu Enttäuschung und Desillusion, nein, die feministisch orientierte Emanzipation und Weiterentwicklung (Jacques: "zur Ehebrecherin und Rabenmutter") führen hier ebenfalls in eine Sackgasse und auch für die Frau nicht zum Glück - von "bluteigenem Kindersegen" und "Zapfelmann" ganz zu schweigen. Das Alte geht nicht mehr und das Neue geht auch nicht: "Erst Luftschloss, dann Restruine", "erst aufgearscht, dann abgearscht" - wie kann das Leben da weitergehen? "Heitere Resignation - es gibt nichts Schöneres" oder: unbeirrt vorwärts irren!"

Einen Tipp mag man an dieser Stelle, wo von Doppelbödigkeiten und Wortspielen gehandelt wird, gerne weitergeben: Man lese sich die Dialoge doch vor, entweder sich selber mit der inneren Stimme oder zu zweit oder dritt mit lauter Stimme. Das Stück regt ohne Zweifel an, über Männer und Frauen nachzudenken, die sich in die Ehe wagen und den Ehebruch am liebsten als modisches Gesellschaftsspiel verstehen. "Frauchen hat sich weiterentwickelt", lautet eine typische Passage. Dieses Frauchen lebe jetzt einfach nach dem Lustprinzip. "Kein Platz mehr für den treuen Hund ... hat mich sehr gefreut, aber nun adieu." Irgendwie mag man diese Bindungslosigkeit als erschütternd empfinden, wenn man sie nicht schon längst zum statistischen Normalfall erhoben hat. Dieser Art, wie Wolltähr einem den Stoff unterschiebt, dieser Art kann man sich indessen nicht so leicht entziehen.

Ronald Roggen
01.08.2011


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
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Das Buch:

Willy W. Wolltähr: Befreiungsschlaganfall oder Sie wechselt den Partner. Ein böses Bubenstück

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Frankfurt am Main: Fouqué Literaturverlag 2007
58 S., € 6,90
ISBN: 978-3-86548-981-4

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