Dramen

Vier Erzählungen und ein Theaterstück von André Müller sen. erstmals im Sammelband

Vor nunmehr über 1700 Jahren schrieb einst der sophistische Rhetor Longos die Geschichte von Daphnis und Chloë nieder. Im 3. Jahrhundert entstand die Legende der Kinder, die getrennt voneinander ihre Kindheit bei Hirten verleben und in der Liebe zueinanderfinden. Longus legte damit den Grundstein für dramatische Liebesgeschichten à la Shakespeares "Romeo und Julia" und diente zugleich als Vorlage für viele Werke der europäischen Hirtendichtung des 16./17. Jahrhunderts. Ein Stoff, der zu jeder Zeit seine Liebhaber fand.

Bis in die heutige Zeit wird die Geschichte der Liebenden als Theaterstück immer wieder erfolgreich aufgeführt und so einem breiten Publikum präsent gemacht. Auch André Müller sen., deutscher Dichter, Publizist, Theaterkritiker und Dozent für Dramaturgie, hat sich einst an eine zeitgenössische Neufassung gewagt, die 1985 bei den Musikfestspielen in Dresden uraufgeführt wurde. Nun, ein Viertel Jahrhundert später, erschien das Libretto erstmals in gedruckter Form im Sammelband "Die Partei der Knoblauchfreunde". Dem Berliner Eulenspiegel Verlag sei Dank kann man in der vorliegenden Ausgabe auf gut 200 Seiten vier Erzählungen und das zuvor erwähnte Drama "Daphnis und Chloë" immer wieder aufs Neue lesen und erleben.

Das Besondere eines jeden Textes ist Müllers unnachahmliche Kunstfertigkeit scheinbar unvereinbare Themen und Bereiche zu einem Gesamtgebilde zu vereinen und daraus etwas Individuelles zu erschaffen. So verbindet er wie kein Zweiter das Thema Kochen mit Literatur und Politik und lässt so seine Leser ihren Blick auf neuentworfene Sinnzusammenhänge werfen. Ähnlich wie sich das Schauspiel gestaltet, sind auch die Erzählungen gehalten: Sie erinnern an dramatische Dichtung, die auch in der Prosa nichts an ihrer Kraft und Intensität einbüßen. Es scheint beinahe, als wären selbst die Kurzgeschichten wie für die Bretter, die die Welt bedeuten, gemacht.

André Müller sen. beweist mit seinen Erzählungen und dem Libretto "Daphnis und Chloë", dass es die deutsche Literatur durchaus mit antiken Vorbildern, klassischen Werken und modernen Romanen aufnehmen kann. In Zeiten von Fantasy-Literatur à la Stephenie Meyer und Herz-Schmerz-Romanen in bester englischer Manier erweist sich "Die Partei der Knoblauchfreunde" aus wertvolles Kleinod der Andersartigkeit und des Individuellen, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Glücklicherweise hat sich der Eulenspiegel Verlag bei seiner Gründung 1954 dem Gebot verschrieben, dem Leser ein Repertoire an Satire, Humor und guter Unterhaltung zu bieten. Und dies gelingt ihm zweifellos mit dem vorliegenden Buch.

Susann Fleischer
06.04.2010

 
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Das Buch:

André Müller sen.: Die Partei der Knoblauchfreunde. Erzählungen und ein Theaterstück

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Berlin: Eulenspiegel Verlag 2010
208 S., € 14,95
ISBN: 978-3-359-02264-0

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