Dramen

Magische Bilder und artistische Satzkunst

Zu den bekanntesten Werken der Weltliteratur zählt das "Große Welttheater" des Pedro Calderón de la Barca (1600-1681). Als "auto sacramental", als Sakramentsspiel, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden, gilt es als ein zeitloses und gleichnishaftes Werk, dessen Überzeugungskraft noch heute andauert. Ursprünglich ein christliches Mysterienspiel, das sich mit dem Geheimnis der Eucharistie auseinandersetzt, enthält es in seiner dramaturgischen Konzeption eine "Parabel des Menschenlebens", die im katholischen Spanien des "siglo de oro", des Goldenen Jahrhunderts, ebenso Gültigkeit besaß wie heute, wo sich der Mensch noch immer "fortwährend zwischen - der als richtig erkannten Pflicht und seinen Neigungen entscheiden muss und solchermaßen häufig zwischen dem, was er tun soll und tun will, in Konflikt gerät."

Im handlichen Taschenbuchformat legt nun die Schweizer Romanistin und Autorin Rosmarie Tscheer eine gelungene Neuübersetzung vor, die der Aktualität des Werkes Rechnung trägt. Sechs Personen, der König, der Reiche, der Bauer, eigentl. Landarbeiter, die Weisheit, die Schönheit und der Bettler/Arme, treten auf die Bühne, die "Welt" heißt. Von einem Spielleiter, dem "Schöpfer" werden sie mit allem ausgestattet, das sie benötigen, um der ihnen zugedachten Rolle auf dieser Welt gerecht zu werden. Doch die Welt tritt selbst als Figur auf und bringt die Idee des Schauspiels auf den Punkt: "Ich bin Das Grosse Welttheater, damit auf mir die Menschen spielen, damit ein jeglicher das vorfind', was seine Rolle zu spielen ihm auferlegt als Akt des Gehorsams; denn ich wirke nur was du befiehlst; denn, wenn zwar mein das Werk, ist dein das Wunder."

In höchstem Maße allegorisch, symbolisch und sinnbildhaft stellt Calderóns epochales Werk ein "Lehrstück über das richtige und falsche Handeln" dar, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dem Einzelnen ist lediglich eine Rolle zugedacht, in der er sich mit Gottes Hilfe und der Gabe des freien Willens ausgestattet, bewähren kann. Gleichheit (und Gerechtigkeit) ergibt sich erst im Augenblick des Todes. Dann kann der Bettler dem König den Vortritt nehmen und auf dessen Empörung selbstbewußt reagieren: "Deine Rolle ist zu Ende, an des Grabes Pforte, sieh', sind wir einander völlig gleich. Was du einst warst, kann hier nicht zählen."

cth
03.11.2002

 
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Das Buch:

Rosmarie Tscheer: Calderóns Großes Welttheater

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Frankfurt a. M.: Fouqué Literaturverlag 2001
82 S.
ISBN: 3-8267-4939-1

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