Dramen

Gleich vier Theateraufführungen zwischen zwei Buchdeckeln

Daniel Kehlmann schreibt mit großem Erfolg auch fürs Theater. "Geister in Princeton", ausgezeichnet mit dem Nestroy-Theaterpreis, ist eine historische Phantasie über Kurt Gödel, den größten Logiker des 20. Jahrhunderts, der an Geister glaubte und im amerikanischen Exil, umzingelt von Ängsten, an Hunger starb. In der Komödie "Der Mentor" treffen ein berühmter alter und ein ehrgeiziger junger Schriftsteller aufeinander, was zum verbalen Zweikampf wird. Im Echtzeit-Krimi "Heilig Abend" verhört ein Polizist am Weihnachtstag eine Frau, weil er sie verdächtigt, um Mitternacht einen Anschlag verüben zu wollen - sie streitet alles ab, doch die Zeit läuft. Und schließlich geht es in "Die Reise der Verlorenen" um die Irrfahrt des Passagierschiffs St. Louis, auf der die Nazis 1939 knapp tausend Juden aus dem Land ließen.

Mal dramatisch, raffiniert und spannend, mal feinsinnig, geistreich und mit Witz - Daniel Kehlmanns Stücke sind nicht weniger lesbar als seine großen, gefeierten Romane. Er sorgt für Unterhaltung von solcher Genialität, dass es einen glatt umhaut. Jedes der vier Dramen zeugt von Schreibkönnen der einsamsten Spitzenklasse. Vor diesem kann man nicht anders, als ehrfurchtsvoll den Hut zu ziehen. Also, Chapeau! Was diese so besonders, gar außergewöhnlich macht: Es fesselt einen so sehr, dass man von der Welt um sich herum nichts mehr mitbekommt. Der deutsch-österreichische Autor, wohnhaft in New York und Berlin, beherrscht das Schriftstellerhandwerk absolut meisterhaft. Er ist eine der ganz Großen seiner Zunft. Seine Werke sind eine Verführung für alle Sinne, außerdem unschlagbar genialst bis zum letzten Buchstaben.

Daniel Kehlmann als Romanautor? Definitiv einer der besten, die wir in Deutschland haben. Aber als Dramaturg? Von der Weltklasse-Qualität eines Broadway-Regisseurs wie Harold Prince! Wie der Schriftsteller mit der deutschen Sprache spielt: einfach nur grandios! Und durch (fast) nichts zu toppen. Er ist ein Ausnahmetalent unter unseren Schreiberlingen. Ob seiner Erzählkunst verschlägt es einem Atem und Sprache. Es wird einem ab der ersten Seite, sogar dem ersten Satz ganz schwindelig. Mit Kehlmanns Büchern, so auch mit dem vorliegenden, erfährt man Literatur auf höchstem Niveau. "Vier Stücke" darf ebenso wenig im Bücherregal fehlen wie "Vermessung der Welt" oder "Tyll". Solch eine Lektüre ist von größter Seltenheit. Diese bedeutet ein Juwel ohnegleichen. Zu widerstehen, ist partout unmöglich!

Susann Fleischer 
28.10.2019

 
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Das Buch:

Daniel Kehlmann: Vier Stücke - Geister in Princeton / Der Mentor / Heilig Abend / Die Reise der Verlorenen

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Reinbek: Rowohlt Verlag 2019 288 S., € 24,00 ISBN: 978-3-498-03475-7

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