Briefliteratur & Tagebuch

Aus dem Leben einer "Kanzlerflüsterin"

Das Leben von Politikern ist von einer stetigen Unruhe geprägt. Ständig wird irgendwo, irgendwas eröffnet, in Wahlkampftagen wird eine Stadt nach der nächsten besucht und ein Meeting reiht sich an das nächste. Bei diesem vollen Terminkalender kann es schon mal vorkommen, dass man nicht weiß, in welcher Stadt man sich gerade befindet oder welche Neuigkeiten man seinem Gegenüber bereits erzählt hat. Was wäre es da für eine Erleichterung, in solchen schwer zu bewältigenden (Stress-)Situationen einen kleinen Mann im Ohr zu haben, der einem einflüstert, was man sagen soll. So könnte der Eindruck von Spontaneität gewahrt bleiben. Der Illusion eines solchen "Flüsterers" widmet sich die Kabarettistin Simone Solga in ihrem neuesten Programm "Mein Leben als Kanzlersouffleuse", das es nun endlich auch in Buchform erschienen ist.

Die deutsche Kabarettistin kam laut Buch mehr zufällig als gewollt an den Job der Kanzlersouffleuse. Ursprünglich sollte sie 2004 bei der feierlichen Eröffnung eines Bitterfelder Spaßbades die deutsche Nationalhymne auf dem Cello spielen, bevor Gerhard Schröder vor den Bewohnern dieser ostdeutschen Stadt seine Rede hielt. Trotz Lampenfiebers und einiger kleinerer Patzer meisterte Solga ihren Auftritt mit Bravour und rettete kurz darauf auch noch den Kanzler aus einer peinlichen Notlage. Mit einem Reim, den sie ihm vorher geflüstert hatte, bedankte sich Schröder bei einem Mädchen, das ihm entgegen dem Protokoll Blumen überreicht hatte. Dieser denkwürdige Auftritt ging quer durch die Medien und verschaffte dem SPD-Politiker neuen Auftrieb. Simone Solga musste nicht lange warten, bis das Jobangebot als Kanzlersouffleuse in ihre Leipziger Künstlerwohnung flatterte und sie sich zum Umzug nach Berlin entschloss. Und so begann eine einzigartige Karriere, sowohl unter Gerhard Schröder als auch ein gutes Jahr später bei Angela Merkel.

Auch wenn Solga durch unbedarft in den Raum geworfene Worte Ursache für allerlei Missverständnisse war - man denke an die Forderung nach Neuwahlen oder die aktuelle Finanzkrise, die erst durch eine Plauderei zwischen Angela Merkel (und ihrer Souffleuse im Ohr) und George W. Bush, viel Schulenglisch und semantische Irrtümer ausgelöst wurde -, etablierte sie sich doch als treuer Wegbegleiter der Regierungschefs Deutschlands. Trotz solcher Missgeschicke wird sich Simone Solga wohl auch in Zukunft als Kanzlersouffleuse ihr täglich Brot verdienen - unabhängig davon, ob Angela Merkel im Amt bleibt oder ein neuer Kanzler bzw. eine neue Kanzlerin ihren Platz einnehmen wird.

Simone Solga tourt seit 2000 mit Soloprogrammen durch die deutschen Lande und unterhält auf humorvoll-ironische Weise ihr Publikum. Erfahrungen konnte sie zuvor im Rahmen ihres Engagements beim Kabarett "Leipziger Pfeffermühle" und als Mitglied der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" sammeln. So wird es den Leser kaum verwundern, dass ihr Buch "Mein Leben als Kanzlersouffleuse" nicht nur ein reines Lesevergnügen verspricht, sondern dieses Versprechen auch hält. Mit viel Witz, politischem Wissen und einer charmant-liebenwerten Art erlebt der Leser eine Welt innerhalb der verbotenen Mauern des Kanzleramtes. Da trifft man auf Politiker wie Gerhard Schröder, Angela Merkel, Hans Eichel, Guido Westerwelle und Franz Müntefering, die in diesem Buch als "Normalos" erscheinen - mit Fehlern und Schwächen wie Du und Ich.

Solgas Buch ist Kabarett auf höchster Stufe mit hohem Unterhaltungswert, das Lust auf mehr macht. Da möchte man nach dem Lesen dieses Buches die Künstlerin bei ihrem derzeitigen Live-Programm hautnah erleben und lauthals mitlachen - obwohl das Buch ein würdiger Ersatz ist.

Susann Fleischer
31.08.2009

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Simone Solga: Mein Leben als Kanzlersouffleuse

CMS_IMGTITLE[1]

Reinbek: rororo Verlag 2009 208 S., € 8,95 ISBN: 978-3-499-62516-9

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.