Briefliteratur & Tagebuch

Unterwegs in den Alpen - Erlebnisse eines jungen Bergsteigers in den 1930er-Jahren

Sechs Tagebücher eines jungen Bergsteigers aus den Jahren 1929 bis 1935 werden nach 80 Jahren erstmals von seiner Tochter veröffentlicht. Gustav Karl Tübbesing aus Düsseldorf, der sich recht früh für das Bergsteigen interessiert, unternimmt bereits mit 16 Jahren seine erste Bergfahrt. Auch wenn es sich nicht um ausführliche Reiseberichte handelt, die explizit für andere Leser geschrieben wurden, spürt man in den teilweise nur stichwortartigen Sätzen von Beginn an die Begeisterung des Verfassers für die Alpen, die ihn danach nicht mehr loslässt.

Er besitzt ein besonders scharfes Auge, das nicht nur für das spätere Durchführen von beruflichen Vermessungsarbeiten vonnöten ist, sondern sich auch in seinen stimmungsvollen persönlichen Eindrücken sowie bildhaften Beschreibungen von Naturschauspielen, Sehenswürdigkeiten, Landschaften, Ortschaften und Momentaufnahmen zeigt. Man leidet buchstäblich bei den zahlreichen Strapazen mit, die Gelände, Hitze, Kälte, Nässe, Nebel, plötzliche Wetterwechsel, Steinschlag und andere Hindernisse mit sich bringen, die aber mit Vorsicht, Wagemut und gemeinsam im Team fast immer überwunden werden können. Die Gefahr sitzt den Kletterern stets im Nacken, auch in Form von leichten und schweren Verletzungen bis hin zum Tod. Aber umso mehr freut man sich mit den Gipfelstürmern über das Erreichen des Ziels und genießt die herrlichen Ausblicke mit ihnen.

Viel Platz nehmen auch die Schilderungen der Hüttenaufenthalte ein: Verpflegung und Unterbringung, die mal gut, billig und gesellig, mal schlecht, teuer und karg sind, werden ebenso entsprechend wohlwollend oder missmutig kommentiert wie das Verhalten vieler internationaler Gäste, die sich nicht immer adäquat zu benehmen wissen. Amüsant zu lesen sind auch die Begegnungen des Verfassers mit dem weiblichen Geschlecht, das ständige Jammern über die ständige Ebbe in der Reisekasse sowie die Geschicklichkeit und Tricks, sich daraus immer wieder zu befreien.

Hinweise auf die politische Lage im In- (Notverordnung 1931, Auftreten von NS-Angehörigen 1935) und Ausland (Aufmarsch von Faschisten in Italien 1931) und auf zahlreiche Filme etwa mit Lilian Harvey, Willy Fritsch, Luis Trenker oder Greta Garbo machen die Berichte zudem zu einem interessanten Zeitdokument. Ein Glossar der Herausgeberin, das Fachbegriffe rund um das Bergsteigen auch für Laien verständlich macht, rundet das reizvolle Buch ab.

Begleiten Sie den Verfasser in seine alpine Welt mit all ihren Facetten: romantisch, atemberaubend und faszinierend, aber auch aufregend, abenteuerlich und lebensgefährlich.

Andreas Berger 
22.06.2020

 
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Das Buch:

Ruth Tübbesing: Die Tagebücher eines jungen Bergsteigers

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Offenbach am Main: August von Goethe Literaturverlag 2019 246 S., € 24,80 ISBN: 978-3-8372-1685-1

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