Ratgeber

Feurig anfangen - und auch dann nicht nachlassen

Oberstes Gebot für alle Schreiberlinge: Bloß nicht den Anfang des Textes vermasseln! Denn egal, ob man für eine große Zeitung, für Online-Medien oder im World Wide Web seinen Gedanken Ausdruck verleiht - eines ist allen Texten gemeinsam: Sie werden geschrieben, weil der Verfasser möchte, dass sie gelesen werden. Gelesen werden sie jedoch nur, wenn sie nach spätestens 20 Sekunden oder auch 350 Wörtern - was genau jetzt schon der Fall wäre - ein echtes Interesse beim Leser geweckt haben. Womöglich hat gerade schon ein Großteil der Leser dieser Rezension den nächsten Link geklickt und wird die folgenden Gedanken zu Wolf Schneiders neuem Buch "Deutsch für junge Profis" nie zu Ende lesen.

Es lässt sich kaum leugnen, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne in den letzten Jahrzehnten nicht gerade größer geworden ist. Im Gegenteil, immer mehr Nachrichten, Informationen und Bilder müssen verarbeitet, gesichtet und gefiltert werden. Da liest man häufig kaum noch über die Überschrift oder den ersten Satz hinaus - es sei denn, man hat ein ausgesprochenes Interesse an dem Thema des Textes. Für alle anderen Leser gilt: Man muss sie gewinnen, fesseln und überzeugen. Wer könnte darüber besser schreiben als der von Bastian Sick als "Sprachpapst" bezeichnete Journalist und Hüter der deutschen Sprache - Wolf Schneider?

Mit seinen fast 85 Jahren kann man Wolf Schneider eines sicherlich nicht vorwerfen: Nicht mit der Zeit gegangen zu sein. In seinem neuen Ratgeber "Deutsch für junge Profis" gibt er - übrigens nicht nur jungen Profis - einerseits allgemeine Tipps, wie man gut und lebendig schreibt, er geht andererseits aber auch auf aktuelle Trends wie Twitter oder die Blogkultur ein, die schon seit Jahren das Internet mit vielen (un)nötigen Worten überflutet.

Mit Schopenhauers Rat: "Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge" lässt sich auch Schneiders Hauptaussage treffend zusammenfassen. Er plädiert für den großzügigen Gebrauch von Verben, nur wenigen Adjektiven und Anglizismen - nur dann, wenn sie angebracht sind. Sätze müssen leben und sollten daher am besten im Aktiv stehen. Für die Länge der Sätze gilt die einprägsame Regel: Der Atem muss reichen. Will heißen: Wenn man das Geschriebene vorlesen würde, müsste der Atem für die Beendigung eines Satzes reichen.

Auch für die Verwendung von Synonymen kann sich Schneider nicht begeistern; sie sind für die Benennung von Nebensachen ganz brauchbar, die Hauptsache jedoch muss stets präzise benannt werden. Genauso hält Schneider es auch mit den Haupt- und Nebensätzen. Der Hauptsatz kommt idealerweise zuerst, Nebensätze, wenn sie nötig sind, danach. Nur so können die Sätze den Text wie Pfeile vorantreiben.

Fassen wir zusammen: Unbedingt vermeiden müssen wir Schreiberlinge verschachtelte Sätze, aufgetakelte Begriffe, Binsenweisheiten und Geschwätz. Aus letzterem bestehen leider die meisten Blogs, die im Web umherschwirren. Vor dem Schreiben denken ist unvermeidbar, auch wenn es einigen schwer fällt, dem ein oder anderen mag es sogar unmöglich sein.

Unbedingt bieten sollte fast ausnahmslos jeder Text - sehen wir ab von Gebrauchsanweisungen, Doktorarbeiten oder Lexika -: Überraschungen, konkrete Wörter, schlanke Sätze, Feuer und vor allem Lesefluss. Bestes Beispiel dafür ist Schneiders eigenes Buch. Er predigt nicht nur leere Worte, er hält sich an seine eigenen Regeln. Dabei herauskommt ein Buch, das nicht nur jedem Berufsschreiber noch den ein oder anderen guten Tipp geben kann, sondern nebenher auch noch Lust auf Sprache und die richtige Verwendung dieser macht.

Sabine Mahnel
26.04.2010

 
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Das Buch:

Wolf Schneider: Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt

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Berlin: Rowohlt Verlag 2010
192 S., € 16,95
ISBN: 978-3-87134-672-9

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