Autobiographie
Die Schatten der Vergangenheit
Lange hat Olivia Victoria geschwiegen. Mehr als 200 Stunden bei ihrer Psychologin hat es gebraucht, bis sie sich ihren Schmerz von der Seele schreiben konnte. "Immer freitags" ist eine sehr persönliche Autobiographie. Eine Autobiographie, die den Leser das Leben als etwas Wertvolles erkennen lässt. Doch bis zu dieser Erkenntnis ist es ein weiter - und oftmals sehr schmerzvoller - Weg. Doch es lohnt sich durchzuhalten und immer weiter zu gehen. Das weiß auch die Autorin, der zwar in ihrer Kindheit viele Wunden zugeführt wurden, die aber niemals die Hoffnung aufgab. Davon erzählt dieses Buch. Und davon, dass schlimme Erfahrungen uns stärker machen.
Nicht einmal ein Jahr nach ihrer Schwester wird Olivia Victoria geboren. Die Sorgen und Ängste ihrer Töchter sind den Eltern egal. Liebe oder Geborgenheit soll Olivia Victoria erst viel später erfahren, als sie ihren Ehemann kennenlernt und später selbst Mutter wird. Die Kindheit ist geprägt von Einsamkeit. Da sind nur Oma Erna und Oma Anna, die für das Mädchen da sind. Die Sommerferien in Bayern sind voller schöner Erinnerungen. Doch als Olivia Victoria elf wird und zum ersten Mal ihre Monatsblutung bekommt, endet die "unbeschwerte" Zeit für das Mädchen. Es passiert etwas Unaussprechliches...
"Immer freitags" ist mit 50 Buchseiten zwar ziemlich dünn geraten, aber diese reichen aus für einen Lesegenuss, wie man ihn eher selten in die Hand bekommt. Olivia Victoria gelingt mit ihrer Autobiographie ein nachdenkliches Stück Literatur. Bereits mit den ersten zwei, drei Sätzen nimmt die Autorin den Leser voll für sich ein. Man fühlt, was sie fühlt, man leidet mit ihr und hofft mit jedem Wort, dass sie endlich ihr Glück finden möge. Zugleich ermutigt die Autorin uns, über Gefühle zu sprechen, diese zuzulassen und andere an diesen teilhaben zu lassen. Nur so überwindet man den größten Kummer, Trauer und sogar Hass.
Mehr als einmal bleibt einem bei der Lektüre der Mund offen stehen, und man schüttelt entgeistert den Kopf, weil man nicht glauben kann, was man hier liest. Noch Stunden und Tage später lassen die Schilderungen von Olivia Victoria einen nicht los. Sie verfolgen einen - und machen einen traurig.
Anja Rosenthal
06.07.2015