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Es ist eine meiner frühen Kindheitserinnerungen aus den späten sechziger Jahren: Ich hörte in meinem kleinen Radio eine Beethoven-Sinfonie und wunderte mich über den Namen des Dirigenten - Alois Springer! 

Der Violinist und Dirigent war gerade dabei eine steile Karriere zu machen. Er war einer der wenigen deutschen Musiker, die international gefragt waren. Er wurde von Leonard Bernstein gefördert und geschätzt und trat in den wichtigsten Konzertsälen mit den renommierten Orchestern der Welt auf. Alois Springer war und ist, um es gleich vorweg zu sagen, eine Ausnahmeerscheinung in der Musikwelt. Seine bedeutende Begabung, seinen atemberaubenden Weg an die Spitze, seine Erfolge, die beinahe zu groß und zu schön waren, um nicht ein Märchen zu sein, hat er später mit großem Leid bezahlt. Das Scheitern seiner Ehe und die berufliche Überforderung lassen ihn 1972 straucheln, er beginnt, im Alkohol eine Stütze zu suchen, bis er nicht mehr arbeiten kann. Er verschwindet aus dem Musikbetrieb und verwahrlost. Über Wasser hält er sich als Helfer in der Oper, der die Stühle rückt. Im Delirium verkehrt er mit Beethoven, Mozart und Paganini. Er wird ins Sanatorium eingewiesen, ja sogar das Gefßängnis muß er kennenlernen. 

Die Schaffenskraft des genialen Mannes profitierte von der Sensibilität des Gemüts, die ihn aber auch in den Untergang führte oder, jedenfalls, zum Abbruch seiner Karriere. 2000 kam die späte Wende in der Begegnung mit seinem erwachsenen Sohn Rafael. Alois Springer raffte seine Kräfte zusammen und schaffte das Unglaubliche. Er fand ins Musikleben zurück und ist seither wieder auf den großen Konzertbühnen der Welt präsent. 

Mit Bernstein hatte ihn eine besondere Freundschaft verbunden. Mit seinen Berichten von ihr gewährt das vorliegende Buch Einblicke in die amerikanische Musikgeschichte und in den sog. Musikbetrieb des 20. Jahrhunderts. "Bereitsein ist alles", hatte Bernstein dem Freund mit auf den Weg gegeben. Aber bereit wofür? Ein Leben gibt seinen Sinn erst in der Rückschau zu erkennen, aber leben müssen wir es vorwärts. Von einer Ahnung, dass es ein schwerer Weg werden könnte, zeugte die Zuwendung des legendären Volkspredigers Pater Leppich zu dem jungen Musiker: "Du bist mit deiner Musik näher bei Gott als ich", gestand er ihm. Damit war die Frage im Leben des jungen Alois nach dem Glauben erklungen. Auch Bernstein fragte ihn danach. Die Antwort des heißblütigen jungen Mannes war schnell gegeben, aber die Wahrheit, seine Wahrheit fand er erst ganz zuletzt. 

Die Schönheit hat ihn geführt und verführt. Sie ist sein Meer, das Meer, das ihn angezogen hat, das ihn leben und schaffen ließ. Mit seinem Sohn kehrt er an den Ort seiner Kindheit, Olkowitz, zurück, um sein Leben verstehen zu lernen. Die Autobiographie, frisch und ehrlich erzählt, zeigt das tief durchlittene Drama eines Lebens, das sich kein Schriftsteller erdenken kann. Die Liebe, die ihn hinuntergestürzt hat in das Elend, hat ihn zuletzt allerdings auch wieder aufgerichtet. Wäre der Rezensent herzlos, würde er sagen: Ein wahrhaft großer Filmstoff! So aber möchte er aus Dank für die Wahrhaftigkeit des Lebensberichtes Alois Springers nur dem Untertitel seine eigene Erkenntnis entgegenhalten, die auch und gerade das vorliegende Buch bestätigt: Die Wahrheit einer Person, auch so wie sie Alois Springer am Schluß gefunden hat, ist von der eigentlichen, unvergünglichen Schönheit, die nicht des Teufels, sondern Gottes ist - und die aus der Tiefe des Menschseins heraufstrahlt. 

H. 
26.04.2011

http://www.alois-springer.de/ 
http://www.primarte.de/

Alois Springer: ... und Olkowitz liegt doch am Meer. Schönheit ist des Teufels. Die Autobiographie eines Dirigenten

Hamburg: Acabus Verlag 2011
412 S., € 16,90
ISBN: 978-3-86282-012-2

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