Medien & Gesellschaft

Fantasiereicher Federfuchser

Muss ja nicht sein! Immer am Schluss die sich immer ?hnelnden Lobges?nge. Deshalb also vorweg: Es ist eine Freude, das neueste Buch von Thomas B?hme zu lesen. Was ist die Freude, wenn ein Buch mit einem fremden, befremdlichen Titel wie "101 Asservate" offeriert wird? Was blo?? Wenn? Alles! Die Idee ebenso wie ihre literarische Form. B?hme will "Alter Worte Welt" der gegenw?rtigen vertraut machen. Nicht nur Omas und Uromas Welt. W?re ohnehin kein hoffnungsvolles Unterfangen in dieser SMS-verk?rzten Wortwirklichkeit, in die wir gezerrt wurden. Der Autor ist frei. Vogelfrei. Er kann seine Gedanken schwirren lassen. Kann in dieser Sekunde im Gestern sein und in der n?chsten in der Gegenwart. Er kann dem Gestern die Gegenwart um die Ohren hauen und, mit gr??ter, hintersinnigster Lust, der Gegenwart das Gestern.

Hat er eine der antiquierten Vokabeln fest an der Angel, muss er sein Prachtexemplar preisen. So ist B?hme ganz bei B?hme. Er packt die patinabesetzten Worte und reibt sie blitzblank, so dass ihr getr?bter Glanz wieder ungetr?bt gl?nzt. Wenn da kein "Aah!" und "Ooh!" laut wird! Der Erz?hler ist ein Erinnernder, der die Erinnerungen der Leser befl?gelt. So kommt Freude auf. Die bleibt bis zur letzten Seite.

Thomas B?hme ist ein Wortverliebter. Er ist ein Wortfinder und Worterfinder. Das ist so seit Jahrzehnten. Vor anderthalb Jahren kam er mit dem Gedichtband "Heikles Handwerk" daher. 66 Berufe holte er aus der musealen Asservatenkammer. Mit dem zuvor ver?ffentlichten Roman "Der Schnackenhascher" war er auf der Suche nach der verlorenen Kindheit. Nun also "101 Asservate". Aufbewahrte, aufbewahrenswerte Worte also. Nicht irgendein Nachschlag. Wenn sich da nicht eine Trilogie gef?gt hat? Ohne solche Zusammenh?nge zu konstruieren: "101 Asservate" ist eine einzigartige Textsammlung von selbstst?ndiger Art.

Thomas B?hme ist ein fantasiereicher Federfuchser. Ein Wortdrechsler, der manchen Schn?rkel schnitzt. Weil er die Schn?rkel als Schn?rkel liebt. Und nicht nur das. Weil er seine Worte zu den alten Worten zu beachtenswerten Worten macht. B?hme erheischt Beachtung. Schlie?lich ist?s kein "Kauderwelsch", was er zusammengeklaubt hat. In gar keinem Fall, wenn er sich der 101 Worte annimmt, die aus der Alltagssprache ausgesperrt wurden. Warum? Sie w?rden die Alltagssprache beleben wie Exoten. Das ist wirklich kein "Aberwitz": Das erste der 101 Worte, dass der Autor aus der Rumpelkammer zieht, um zuletzt bei "Zipperlein" zu landen.

Thomas B?hme kann feststellen, was verloren gegangen ist. Er kann fragen, weshalb die Verluste Verluste sind. Er kann hinterfragen. Er kann entdecken. Endlos. Einmal auf ein Wort eingelassen, quellen hinweisende wie abschweifende Gedanken und Geschichten aus dem Autor. Zumeist zusammengefasst in neun Punkten, ist?s nicht leicht, von einem der wahrlich nicht alleserkl?renden, variablen Erz?hlst?cke zu lassen. Die "101 Asservate" wuchern und wuchern und werden zu 1001 Geschichten. Da muss nicht alles ausgef?hrt werden, denn der Verfasser vertraut dem Kopf der Leser. "Sie wissen schon was gemeint ist!", redet er sich nicht nur raus. Die Leser sind Mitmacher. Sie laufen dem Entdecker nicht nur hinterher. Sie machen eigene Entdeckungen. Sanft gestupst vom Autor. Ironisch grinsend von ihm stehengelassen. Spitzfindig schmunzelnd animiert. Und so weiter, und so weiter!

Mit "101 Asservate" hat Thomas B?hme ein W?rterbuch alt-ehr-w?rdiger Worte angelegt. Ganz und gar angeregt durch seine unbeeintr?chtigte Liebe zu den Worten. Seine Texte sind, wenn man so will, ein demonstratives Transparent gegen die Internetw?rterb?cher. Als einer dieser Welt, hat der Autor alle Achtung f?r das Vergessene und Verlorene. Worte zu verlieren hei?t, Sprache zu verlieren. B?hme l?sst die Sprache nicht im Stich und ihn nicht die Sprache. "101 Asservate" ist eine Ansammlung sinn- und humorvoller klizekleiner Kritiken an der allgemeinen Nachl?ssigkeit, die wir uns alle gefallen lassen. Nun blo? kein "Fersengeld" geben. Dranbleiben. Das Buch gibt das St?ck Schokolade her, das K?rper und Geist t?glich brauchen. Also sich belohnen mit Thomas B?hmes "101 Asservate". Was sonst steigert so die Freude?

Bernd Heimberger
29.05.2012

 
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Das Buch:

Thomas Böhme: 101 Asservate. Alter Worte Welt

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Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung 2012
136 S., € 18,00
ISBN: 978-3-937799-57-5

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