Medien & Gesellschaft

Hokuspokus aus den Fünfzigern

Vorsicht! Wer glaubt, mit dem vorliegenden Buch aufgrund der Cover-Gestaltung eine Neuauflage des "Dangerous Book for Boys" oder ein ?hnlich gerichtetes Werk mit diversen Zauberanleitungen, die V?ter mit ihren S?hnen ein?ben k?nnen, vor sich zu haben, der liegt falsch. "Das einzig wahre Handbuch f?r Agenten" hat einen zutiefst historischen Hintergrund und ist zun?chst einmal ein Zeitdokument aus der ?ra des Kalten Krieges. 

Der US-amerikanische Zauberk?nstler John Mulholland war in seinem Heimatland ein anerkannter Vertreter seines Fachs und vorrangig ein Experte f?r Taschenspielertricks, wodurch er aufgrund seiner Fingerfertigkeiten dem CIA wiederum bestens geeignet schien, f?r die Mission, von der das vorliegende Buch berichtet, als wertvoller Berater t?tig zu werden. Bis zu seinem Tode im Jahre 1970 hatte Mulholland niemandem ein Sterbensw?rtchen dar?ber verraten, dass er jahrelang als entscheidender Inputgeber f?r den US-amerikanischen Geheimdienst aktiv war. Auch ist es nach seinem Tod nur einer Nachl?ssigkeit in der Aktenvernichtung zu verdanken, dass dar?ber ?berhaupt etwas bekannt wurde. 

W?hrend man dieser Tage mit der latenten Angst terroristischer Anschl?ge lebt, waren die F?nfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ma?geblich durch den Kalten Krieg zwischen Ost und West bestimmt. Es herrschte insbesondere seitens der USA eine fast schon panische Angst vor dem Vormarsch des sowjetischen Kommunismus. In diesem Spannungsfeld gab der US-amerikanische Nachrichtendienst, besser bekannt als CIA, ein umfangreiches Projekt in Auftrag: MKULTRA. Initiiert wurde es 1953 durch Allen Dulles, den Leiter des CIA, als Programm mit dem Auftrag, "an diversen Projekten zur Erforschung und Entwicklung von chemischen, biologischen und radioaktiven Materialien zu arbeiten, die mit dem Ziel der Kontrolle menschlichen Bewusstseins Anwendung in verdeckten Eins?tzen finden k?nnten". 

Gleich zu Beginn von MKULTRA nahm einer der Projektbeteiligten, der Chemiker Dr. Sidney Gottlieb, Kontakt mit John Mulholland auf, um diesen und dessen K?nste f?r das Vorhaben gewinnen zu k?nnen. Mulholland verfasste daraufhin sein erstes Handbuch f?r Spione, das dem CIA im Mai 1953 ausgeh?ndigt wurde. Mulhollands Schriftst?cke sowie seine ?Schulungen? der Agenten unterlagen der strengsten Geheimhaltung und wurden 1973 mit allen anderen Dokumenten von MKULTRA zerst?rt, allerdings nicht vollst?ndig. Im Jahre 2007 stie? der ehemalige CIA-Angeh?rige H. Keith Melton, der zu Hause sein pers?nliches Spionagemuseum betreibt und als ein Insider in Sachen Spionagetechnik gilt, auf die verschollenen Dokumente des Zauberers. Zusammen mit Robert Wallace, einem Nachfolger Dr. Gottliebs, ver?ffentlichte er das vorliegende Buch, was selbst mehr als ein halbes Jahrhundert sp?ter einer zeitgeschichtlichen Sensation gleichkommt. 

"Das einzig wahre Handbuch f?r Agenten" gliedert sich in zwei verschiedene Teile: W?hrend die beiden Autoren im ersten Teil gem?? Mulhollands Auffassungen einen ?berblick ?ber die grunds?tzlichen Elemente des Zauberk?nstlers geben, wie z. B. die Irref?hrung des Publikums, den Identit?tenwechsel oder Verkleidungen, kommt im zweiten Teil Mulholland selbst zu Wort. Der Abdruck des Originalhandbuchs katapultiert den Leser aufgrund des authentischen Schreibstils vollends f?nfzig Jahre in die Vergangenheit und in die Welt der Magier und Agenten. Hier beschreibt Mulholland haarklein die penible Vorbereitung des Agenten und die Schritt-f?r-Schritt-Abfolge der einzelnen Handgriffe. 

Im Kapitel "Die Handhabung von Tabletten" beispielsweise l?sst Mulholland CIA-Agenten und Leser im Hier und Jetzt wissen, worauf man tunlichst achten sollte, will man einem Gegen?ber unbeobachtet eine Tablette in dessen Getr?nk tun. Der aufmerksame und wohlerzogene Agent spende daher seinem auszuschaltenden Objekt Feuer mittels eines Streichholzbriefchens, an dessen R?ckseite eine Tablette befestigt ist, die er beim gleichm??igen R?ckzug des nicht-feuerspendenden Arms im geeigneten Moment aus nicht allzu gro?er H?he in das Gef?? gleiten lasse, wobei m?glichst ein d?mmlicher Gesichtsausdruck aufzusetzen sei, der nichts von der inneren Anspannung verrate. Aber auch f?r auszuschaltende Objekte, die Nichtraucher sind oder die gerade kein Feuer gespendet bekommen m?chten, h?lt Mulholland konkrete Umsetzungspl?ne f?r einen Giftcocktail bereit. Damit keiner auf den Gedanken kommen mag, dass es sich bei dem vorliegenden Buch und dessen Inhalt um Mummenschanz handele, haben die beiden Autoren ein ausf?hrliches Register mit Anmerkungen beigef?gt, das die entscheidenden Passagen des Buchs mit Quellen und weiterf?hrenden Informationen belegt. 

Melton und Wallace haben mit dem Agenten-Handbuch sowohl f?r ein historisch wichtiges Buch gesorgt, das viele der lange w?hrenden Spekulationen um den CIA und MKULTRA beendete, als auch f?r eine sehr kurzweilige Unterhaltung f?r diejenigen, die es schon als Kind liebten, mit ihrem Zauberkasten Tricks einzustudieren, und in sp?teren Jahren in den Bann von James Bond und dessen Kollegen gezogen wurden und sich immer schon mal insgeheim einen Einsatz als Geheimagenten gew?nscht hatten. Insofern schlie?t sich dann entgegen der urspr?nglichen Warnung wieder der Kreis, so dass das vorliegende Buch doch gleicherma?en auch f?r V?ter und S?hne interessant ist, die schon mit dem "Dangerous Book for Boys" einige spannende Tage erlebt haben und nun nach mehr verlangen. Das vorliegende Buch mag ihnen hierbei Anleitung f?r viele heimische Experimente sein, obgleich manche der Ingredienzien doch besser durch harmlose Varianten ausgetauscht werden sollten. 

Christoph Mahnel 
24.10.2011

 
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Das Buch:

Keith Melton, Robert Wallace: Das einzig wahre Handbuch für Agenten. Tricks und Täuschungsmanöver aus den Geheimarchiven der CIA. Aus dem Amerikanischen von Wibke Kuhn

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München: Heyne Verlag 2011
256 S., € 16,99
ISBN: 978-3-453-17376-7

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