Medien & Gesellschaft

Den Tätern auf der Spur

Auch 65 Jahre nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg lassen uns die Schatten der dunklen Vergangenheit nicht los. Der Nationalsozialismus ist bis zum heutigen Tage ein Thema, das den Schrecken nach wie vor in seinem tiefsten Herzen tr?gt und f?r allerlei Diskussionsstoff sorgt. Aber auch die Zeit danach - insbesondere w?hrend der N?rnberger Prozesse und nachfolgenden Gerichtsverfahren gegen etwaige Kriegsverbrecher - ist eine, die die Menschen kaum zur Ruhe kommen l?sst. Daf?r sorgen allerdings auch skandaltr?chtige Geschichten wie die von Georg Heuser, der mehrere Jahre nach Kriegsende eine Karriere als Kriminalrat anstrebte - und erreichte. Dieses und weitere 18 Musterbeispiele der Integration von NS-T?tern in die Nachkriegsgesellschaft verfolgt Christina Ullrich in ihrem Buch "?Ich f?hl' mich nicht als M?rder?". 

Es ist erschreckend, aber zugleich auch faszinierend anzusehen, wie ehemalige NS-Verbrecher unbescholten und von der Gesellschaft unbeachtet ein ruhiges Leben nach der Hitler-Diktatur f?hren - zuweilen auch auf der Karriereleiter aufsteigen - konnten. Sie haben gelogen und betrogen, Zeugnisse gef?lscht und Zeugen mit viel Geld bestochen, um das Dasein eines B?rgers zu leben, der als geachtetes Mitglied der Gesellschaft galt und von Nachbarn und Freunden als Teil eines gesamten Deutschland angesehen wurde - zum Spott jener Menschen, die damals seinen Machenschaften und (Kriegs-)Treibereien zum Opfer gereicht wurden. Ein Fauxpas, der mitnichten keine Kleinigkeit und nach wie vor hochexplosiv ist. 

19 vorgestellte SS-F?hrer der mittleren Chargen erlebt man in diesem Buch auf einer B?hne, auf er sie sich ohne Schutz - ja beinahe nackt - und unverstellt der (deutschen) Nachwelt pr?sentieren m?ssen. Auch wenn sich bei der Lekt?re von "?Ich f?hl' mich nicht als M?rder?" nicht in jedem Leser Wut, Trauer und Verzweiflung breitmacht, so entsteht hier zumindest ein Gef?hl von Verst?ndnislosigkeit, die ein entsetztes Kopfsch?tteln zur Folge hat - ein Anliegen, dem Christina Ullrich sicherlich sehr am Herzen gelegen hat und nach dem Schlie?en dieses Buches vollends zum Tragen kommt. 

Christina Ullrich f?hrt mit ihrem Buch "?Ich f?hl' mich nicht als M?rder?" dem Leser die Abgr?nde der menschlichen Seele auf solch plastische Weise vor, dass einem hier mehr als einmal ein gro?er Schauder ?ber den R?cken l?uft. Es gibt Momente, da m?chte man am liebsten schreien und wegschauen - und kann dies doch nicht ob des gelungenen Schreibstils der Autorin. Hervorragend recherchiert und mit zahlreichen Zeugnissen belegt l?sst Ullrich hier ein weiteres dunkles Kapitel deutscher Geschichte - und dessen Schrecken mit all seiner Intensit?t - aufleben, dem man sich erst auf der letzten Seite entziehen kann. Leider gibt es von Werken wie "?Ich f?hl' mich nicht als M?rder?" viel zu wenige auf dem hiesigen Buchmarkt. 

Susann Fleischer 
07.03.2011

 
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Das Buch:

Christina Ullrich: »Ich fühl mich nicht als Mörder!« Die Integration von NS-Tätern in die Nachkriegsgesellschaft

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Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011
355 S., € 49,90
ISBN: 978-3-534-23802-6

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