Medien & Gesellschaft

Statistiken lesen – aber richtig!

Tagt?glich wird man durch die Medien mit Statistiken bombardiert, die stets Fundiertheit und korrekte Recherche suggerieren wollen. Der gutgl?ubige Konsument l?sst sich davon manipulieren, schlie?lich verl?sst man sich gerne auf derart vorgetragene Zahlen und ihre Aussagen. Dass man mit ein wenig mehr Skepsis und Nachfrage besser beraten w?re, davon berichtet das vorliegende Buch "L?gen mit Zahlen", in dem Gerd Bosbach und Jens J?rgen Korff einige aus seri?s anmutenden Quellen stammende Statistiken mit ein paar einfachen Handgriffen aufs Kreuz legen.

Medial pr?sentierte Statistiken haben zuvorderst eine einzige Intention, n?mlich die Botschaft desjenigen, der die Statistik in Auftrag gegeben hat, per Zahlenwerk nach au?en hin zu legitimieren und der Zielgruppe zuzutragen. Bosbach berichtet von einer Kundgebung mit dem Ministerpr?sidenten Nordrhein-Westfalens, der von 2200 im Vorjahr neu eingestellten Lehrern erz?hlte, um die Bedeutung der Bildung f?r die Politik zu unterstreichen. Dass aber Bosbach eine einzige Frage auf dieser Kundgebung ausgereicht hatte, um den Politiker l?cherlich zu machen, ist ein Verdienst seiner skeptischen Grundhaltung bei Statistiken: Wie viele Lehrer sind denn im selben Zeitraum in den Ruhestand gegangen? 2500. Alle Umstehenden hatten vermutet, dass die ?ffentlich verk?ndete Zahl bereits vorher um diese Abg?nger bereinigt worden war. Dies war jedoch nicht der Fall.

Im lockeren Plauderton berichten Gerd Bosbach, seines Zeichen Mathematik-Professor mit Schwerpunkt Statistik, und der Historiker und Politologe Jens J?rgen Korff ?ber viele ?hnlich gelagerte Vorkommnisse. Gleich im ersten Kapitel wird der Leser animiert, immer auch die Kehrseite der Statistik zu betrachten. "Kein Ying ohne Yang" verlangt vom Leser, Statistiken mit dem Verstand zu durchdringen und kritisch zu be?ugen, anstatt sie ungefragt zu akzeptieren. Im weiteren Verlauf bekommt der Leser einiges an Handwerkszeug mitgeliefert, das ihn fortan die grafische Darstellung von Statistiken mit pr?fendem Blick begutachten l?sst. Das Abschneiden der Y-Achse sei hierbei exemplarisch erw?hnt als eines dieser simplen, aber m?chtigen Mittel der Statistiker, mit dessen Hilfe man Aussagen ?ber Geb?hr verst?rken kann.

Oftmals lassen Statistiken grundlegende Informationen vermissen, die aber f?r ein Verstehen der Zahlen und die Tragweite der dahinterliegenden Aussagen essentiell sind: Welche Bezugsgr??en wurden gew?hlt? Welche Definition liegt hinter der dargestellten Gr??e? Ist die gew?hlte Definition ?berhaupt sinnvoll und angebracht? Oder wer wusste schon, dass der Vatikanstadt Jahr f?r Jahr den Titel des Landes mit der h?chsten Kriminalit?tsrate erringt? Wirklich wahr, denn zur Ermittlung dieser weltweiten Rankings werden alle gemeldeten kriminellen Delikte durch die Anzahl der Einwohner des Landes dividiert. Aufgrund der hohen Besucherzahlen im Vatikan und den damit nicht ausbleibenden Vorkommnissen erh?lt man bei gerade einmal etwas mehr als 500 Einwohnern nat?rlich einen derart hohen Quotienten, der sogar Kriminalit?tshochburgen wie Somalia ?bertrifft.

Man darf den Auftraggebern von Statistiken nat?rlich nicht per se B?sartigkeit unterstellen, denn oftmals sind es nur kleine Nuancen, die einen gewaltigen Effekt auf die jeweilige Aussage haben. Die Frage, ob man etwa f?r die Kernaussage eine relative Darstellung in Prozent oder eine absolute Darstellung mit der Gesamtzahl w?hlt, ist mitunter entscheidend daf?r, ob die Statistik die gew?nschte Aussage entsprechend transportiert oder nicht. Auch Leser mit einem mathematischen Hintergrund werden sich im vorliegenden Buch nicht langweilen. Zwar gehen Bosbach und Korff keineswegs ins Eingemachte, doch in einigen Kapiteln finden sich auch f?r versierte Zahlenjongleure interessante Einblicke. So glaubt manch einer, dass hinter dem Will-Rogers-Ph?nomen oder dem Simpson-Paradoxon ein Hauch von Magie wehen m?sse, da sich die an einfachen Beispielen illustrierten Effekte mit dem mathematischen Verst?ndnis nicht unbedingt sofort in Einklang bringen lassen.

Bosbach ger?t im Laufe des Buches regelrecht in Wallung, schie?t er sich doch immer mehr auf diejenigen ein, die glauben, mit Statistiken als Machtinstrument den B?rger manipulieren zu k?nnen. Er wettert gegen Popul?rdemografen wie Meinhard Miegel, der in seinen Prognosen zu Bev?lkerungsentwicklungen die Glaskugel bevorzugt, um auf unseri?se Weise Betrachtungen f?r das Jahr 2050 anzustellen. Des Weiteren deckt Bosbach Zusammenh?nge zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen auf, die mit Hilfe von Statistiken unsachgem?? gef?rdert werden. Die Herren Riester und R?rup haben Finanzdienstleistern wie Carsten Maschmeyer und seinem AWD einen idealen N?hrboden f?r bestimmte Finanzprodukte geliefert. Sehr suspekt sollte einem der Gedanke sein, wie nahe sich Politik und Wirtschaft doch in Wirklichkeit stehen, so z. B. die erw?hnten Herren betreffend in Form der MaschmeyerR?rup AG.

Stellt sich bei Sachb?chern beim Leser oftmals die Frage, was denn ?ber die mehr oder weniger unterhaltsame Lekt?re hinweg h?ngengeblieben ist, kann f?r das vorliegende Buch mit vehementem Nachdruck best?tigt werden, dass von nun an keine Statistik mehr vom Leser blau?ugig und vorbehaltlos akzeptiert werden wird. Durch die einfachen und dabei Augen ?ffnenden Beispiele in Kombination mit dem lockeren Plauderton gelingt es Bosbach und Korff beim Leser einen Schalter umzulegen. Schlie?lich ist niemand bereit, sich ohne Gegenwehr der Manipulation durch andere auszusetzen. "L?gen mit Zahlen" macht Mut und ermuntert den Leser sich zu trauen, zu hinterfragen und nachzufragen.

Dazu geben Bosbach und Korff dem Leser eine ?bersichtliche Checkliste an die Hand, die auf einpr?gsame Art und Weise den Leser in die Lage versetzt, zuk?nftig Statistiken in Eigenregie kritisch zu pr?fen. Dieses neu erlernte Wissen kann der Leser im letzten Kapitel auch sogleich praktisch anwenden, indem ihm zw?lf ausgew?hlte ?bungen vorgelegt werden. Seine eigenen Erkenntnisse und Ergebnisse kann der Leser im Anschluss mit den von den beiden Autoren dargestellten Ideen vergleichen. Der Leser beendet das vorliegende Buch kl?ger als zuvor und hat seinen Verstand als kritischer und verantwortungsbewusster B?rger gesch?rft.

Christoph Mahnel  
28.02.2011

 
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Das Buch:

Gerd Bosbach, Jens Jürgen Korff: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden

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München: Heyne Verlag 2011
320 S., € 18,99
ISBN: 978-3-453-17391-0

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