Medien & Gesellschaft

Für sechs Wochen ohne Netz und doppelten Boden

Christoph Koch, seines Zeichens freier Journalist, nutzt das Internet nicht nur zur Zerstreuung oder für die gelegentliche Google-Suche. Vielmehr ist er begeisterter und konsequenter Nutzer aller Angebote, die das moderne, auf die soziale Vernetzung seiner "User" ausgerichtete World Wide Web zu bieten hat. Sogenannte "Web 2.0"-Internet-Plattformen wie Facebook oder Twitter benutzt Koch, um sowohl beruflich als auch privat auf dem Laufenden zu bleiben und seinen eigenen Blog zu promoten. Und auch unterwegs ist er dank seines internetfähigen Handys stets vernetzt und hat sich an die hieraus resultierende kompromisslose Erreichbarkeit vollständig gewöhnt.

Aus seinen Recherchen über die Schattenseiten des modernen Rund-um-die-Uhr-Vernetztseins entwickelt sich die Idee für folgenden Selbstversuch: Wird es ihm gelingen, für mindestens einen Monat komplett auf Internet und Handy zu verzichten? Koch schließt das Netzwerkkabel seines Computers und seine beiden Mobiltelefone in eine Schublade, händigt seiner Freundin den Schlüssel aus und harrt der Dinge, die da kommen - selbstverständlich nicht ohne zuvor seine Bekannten und Arbeitgeber über sein Experiment informiert zu haben. Die ersten "Entzugserscheinungen" lassen erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten, doch schneller als erwartet lernt er die Vorzüge des Offline-Seins wieder zu schätzen.

Die Tatsache, dass "Ich bin dann mal offline" größtenteils in Tagebuchform gehalten ist, bedeutet jedoch nicht, dass sich das Buch einzig und allein mit dem Fortschritt von Kochs mutigem Selbstversuch beschäftigt. An zahlreichen Stellen stehen vielmehr informative bis kuriose Anekdoten über "Onlinegeschädigte" aus aller Welt, wissenswerte Fakten über unsere modernen Kommunikationsmedien sowie Kochs unkonventionelle Rechercheprojekte in Vordergrund. Was halten beispielsweise die technologieskeptischen Amish People oder ein Rabbiner von Internet und Handy? Gibt es tatsächlich ein Maximum bezüglich der Menschen, die wir als Freunde und Bekannte bezeichnen können - auch wenn uns unsere astronomisch langen Myspace- und Facebook-Freundeslisten anderes vorgaukeln wollen? Durch sein Talent, Unterhaltsames mit Informativem zu verbinden, gelingt es Koch hierbei, seinen "Selbstversuch" einen bestechend hohen Unterhaltungswert zu verleihen. Zur gleichen Zeit gelingt es Koch, ein regelrechtes Feuerwerk an Wissen über unsere moderne Online-Kultur abzubrennen, das auch für die hartgesottensten Online-Enthusiasten etwas Neues bereithalten wird.

Dass Christoph Koch keinen unfehlbaren Leitfaden für all diejenigen, die unsere moderne Kommunikationskultur als belastend empfinden, liefern will oder kann, ist jedoch eindeutig. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass Koch dem Leser letztendlich nahelegt, dass ein bewusster Umgang mit Internet und Handy mittlerweile auf jeden Fall einer vollständigen Abstinenz vorzuziehen ist. Ebenso überlässt es Koch dem Leser, selbst zu entscheiden, ob er seinem Beispiel folgen möchte (oder nicht) und kommt hierbei völlig ohne den gefürchteten erhobenen Zeigefinger aus. Eine von der ersten bis zur letzten Seite gleichsam fesselnde wie unterhaltsame Bestandsaufnahme über die Tücken des Offline-Seins in unserer heutigen Online-Gesellschaft, von der Online- wie Offline-Fans gleichermaßen profitieren können.

Johannes Schaack
09.08.2010

 
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Das Buch:

Christoph Koch: Ich bin dann mal offline. Ein Selbstversuch. Leben ohne Internet und Handy

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München: Blanvalet Verlag 2010
270 S., € 12,95
ISBN: 978-3-7645-0374-1

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