Medien & Gesellschaft

Programm als Protest

Matthäus 5-7! Was da wem noch sagen, der fest in Gefühlen und Gedanken im christlichen Glauben ist? Auch, wem das "Buch der Bücher" nicht das Buch des Lebens ist, dem ist die Bergpredigt nicht unbekannt. Bewusst oder unbewusst wird kein Schriftstück der Menschheit so oft zitiert. Die Sätze sind Sentenzen, deren allgemeiner Sinn von der Allgemeinheit angenommen wurde. Wenn es nur so wäre, wie es sich leicht dahinsprechen läßt. Wie jedes Programm der Bildung, denn auch das ist die Bergpredigt, scheitert das Programm schnell an denen, die gebildet werden sollen. Die Korrespondenz mit der Bergpredigt ist ein ständiger Konflikt mit der Bergpredigt. Ist das Maß, das die Menschheit misst, ein Maß, das für die Menschheit zu groß ist? Muss jedes Ideal immer ein Ideal bleiben?

Die Wirklichkeit der Welt beleidigt in jeder Sekunde die Bergpredigt. Die Schönheit der Erde ist beschädigt worden, wo sie beschädigt werden konnte. Als gäbe es die Bergpredigt nicht. Und das seit zweitausend Jahren. Die Bergpredigt ist Hoffnung und Herausforderung. Hoffnung, die Herausforderung ist, wie die Herausforderung Hoffnung. Mit dieser geistigen Grundhaltung hat sich Eberhard Wolf dem Text genähert. Wolf ist der, der darauf achtet, dass die "Süddeutsche Zeitung" aussieht, wie sie aussieht. Er weiß etwas in Beziehung zu setzen: Text und Bild. Ein Text hat für ihn etwas Bildliches. Ein Bild etwas Textliches. Mit diesem feinen wie seltenen Gespür hat er sich mit der Bergpredigt beschäftigt. Das Ergebnis ist "Eine Interpretation in Bildern der Gegenwart".

Der Interpret hat, frei von simpler Eitelkeit, zu dem besten Text aller Texte, die besten Bilder gesucht und gefunden - Fotografien, die keine Tagespresse-Ware sind. Wolf hat in den Archiven der bedeutendsten Fotoagentur der Welt - MAGNUN - ausgewählt, was sein Buch "die bergpredigt" möglich machte. Alles andere als ein beliebiges Buch. Das Buch ist eine Andacht des Interpreten, der den Betrachter zur Andacht animiert. Das heißt nicht nur zur passiven besinnlichen Betrachtung. Die Betrachtung fördert das Aufbegehren. Jenes Aufbegehren, das in den Bildern ist, das die passenden Texte in und zu den Fotos kräftigt. Aufruhr wäre durchaus nicht das Schlechteste, wozu die Bergpredigt ermuntern könnte. Es ist zuviel an Schlechtem in der Welt. Es ist zuviel zerstört in der Welt, in der das Geld zum Maßstab geworden ist, obwohl es mahnend heißt: "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." Die Menschen können nach dem Mammon grapschen und ihr Gebet murmeln - gleichzeitig. Bergpredigt hin, Bergpredigt her! Eberhard Wolfs Auswahl und Arrangement lässt sehen, wohin wir mit der Bergpredigt, ohne die Bergpredigt, kommen. Sicher ist, dass die Bergpredigt eine Idee ist, die als Idee bleiben wird. "die bergpredigt" von Wolf ist ein zeitgemäßer Bericht, der gern auch mit bedenklichem Gesicht angesehen wird.

Bernd Heimberger
09.11.2009

 
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Das Buch:

Eberhard Wolf: die bergpredigt. Eine Interpretation in Bildern der Gegenwart

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München: Pattloch Verlag 2009
160 S., € 22,00
ISBN: 978-3-629-02228-8

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