Medien & Gesellschaft

Passionierter Pilger

Da wandert einer. Und wandert. Und wandert. Und lässt sich nicht vom Wandern abbringen, als es hier und da zwickt und zwackt. Der Mann hat ein Ziel. Der Mann ist ein wahrer Wandersmann. Er ist ein passionierter Pilger. Also geht er. 1500 Kilometer müssen es sein. Darunter kann er es nicht machen. 1500 Kilometer hat der Wallfahrtsweg. Den nannte die Westseite "innerdeutsche Grenze" und die Ostseite markig "Grenzgebiet". Eine Strecke voller Katastrophen, Tragödien, Dramen, die ein renommierter britischer Politiker als "Eisernen Vorhang" umschrieb.

Für den wanderfreudigen Peter Schanz ist der Weg ein Weg "Mitten durchs Land", das nun wieder das ganze Deutschland ist. Oder das, was 1989 zu Deutschland geworden ist. Schanz ist kein Historiker, der deutsche Katastrophen, Tragödien, Dramen sammelt. Schanz ist ein Spaziergänger, dem nicht der Modder der Vergangenheit an den Hacken klebt und den Schritt behindert. Der Spaziergänger ist eher ein Leichtfüßiger, der alles andere als ein Leichtfuß ist. Er hat Spaß am Schreiten, was ihm auch schwere Stunden erleichtert.

Mit dem leichten Sinn im Schädel hat Schanz "Mitten durchs Land" geschrieben. Er brutzelt eine Menge pfiffiger Formulierungen in seiner Wortpfanne. Unkonventionelle Texte nehmen die Leser mit auf eine unkonventionelle Tippel-Tour. Der sprachliche Rhythmus bringt die Leser in Schwung und erhält ihn. Auch dann, wenn der Rhythmus etwas von einem gleichförmigen Marschtempo hat. Die Kapitel, die von Station zu Station führen, sind selten länger als eine Zigarettenlänge. Und so zieht man sich Abschnitt um Abschnitt rein wie ein Aufputschmittel. Von dem ist schwer zu lassen, selbst, wenn hin und wieder erwogen wird, mit dieser Stimulanz Schluss zu machen. Aber: Man ist ja so schwach.

Schanz macht schwach. "Pilgern", sagt er, "bringt Erkenntnisgewinn." Und was für einen! Weiß doch jeder, der sich mal auf den Jakobsweg gemacht hat. Der Jakobsweg des gebürtigen Bambergers ist der K-Weg, was für Kolonenweg steht. Der beginnt im Landkreis Hof in Bayern und verschwindet im Meer, das Ostsee heißt, an der das schleswig-holsteinische Lübeck-Travemünde ist. Vielleicht ist das der Jakobsweg des 20. Jahrhunderts, den der Autor mit seinem Buch popularisieren will. Noch ist nicht aller politischer Systeme Abend.

Peter Schanz ist kein Populist. Er ist kein Politiker. Er ist kein Polemiker. Er ist auch kein versierter, virtuoser Erzähler. Er ist ein Publizist, der kein belehrendes Elaborat verfassen wollte. Mit seinem gescheiten Schmunzel-Stil, der offensichtlich von präzisen Tagebuchaufzeichnungen profitiert, berichtet er von Eindrücken und Empfindungen des Augenblicks, die manchen verblüffenden Rückblick möglich machen. Station für Station kommen Sachen zum Vorschein, die der Wanderer nicht erwarten konnte und den Lesern überraschende Kenntnisse in die Stube bringen. Das ist der Erkenntnisgewinn, den der Pilger nicht nur verspricht. Er dröselt nicht die große Weltpolitik auf. Die kleine Politik, die Ost und West machte und ausmachte, hat er mit ironischer Glasur versehen.

"Mitten durchs Land" ist wirklich keine Schulbuchlektüre. Ist kein handelsübliches Reisebuch. Ist kein merkantiler Reiseführer. Das Buch schildert individuelle Erfahrungen und Einsichten des Menschen Peter Schanz, der sich einen ungewöhnlichen Wandermarathon zumutete und ohne Jammer absolvierte. Mutig und auch ermutigend. Für Leute, die sich irgendwann mal auf den Weg machen, das eine oder andere Stück der Strecke zu gehen. Mit Neugier, um ganz eigene Entdeckungen zu machen, wie sie Peter Schanz machte.

Bernd Heimberger
19.10.2009

 
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Das Buch:

Peter Schanz: Mitten durchs Land. Eine deutsche Pilgerreise

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Berlin: Aufbau Verlag 2009
252 S., € 19,95
ISBN: 978-3-351-02705-6

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