Medien & Gesellschaft

Pöbelnde Prosa

Den muss man wirklich nicht lieben - den Truman Capote! Gefallen kann man an ihm immer finden. Er war einer der spitz- und großmäuligen, der gescheiten Spötter, die in der Literatur, der Welt, der Weltliteratur - zumindest des 20. Jahrhunderts - selten sind. Wie einst Balzac, tummelte sich Capote (1924-1984) gern in der Mitte des gesellschaftlichen Establishments, das er gern debütierte, weil ihm dessen biedere Bigotterie sehr zuwider war. Mit Schmerzen in der Mimik wurde über "diesen schmutzigen kleinen Jungen" gelacht, der er bis zur letzten Stunde blieb. Da nützte alles Streben nichts, einmal ein erwachsener Mensch zu werden. Also spielte Truman den Witzigen und Würdelosen, den passionierten Pointenreißer und pöbelnden Phrasendrescher. Immer darauf aus, mit allem Gesagten seine geistige Potenz unter Beweis zu stellen. Den Geistesreichtum des Mannes, der sich ein Genie nannte, wird niemand bestreiten. Grell erhellten seine Geistesblitze so manche Szenen, Situationen, Stimmungen. Ihn deshalb lieben? Gefallen an dem kleinen Gernegroß finden, der sagte: "Was ist die niedrigste Stufe des Journalismus? Anders gefragt, welcher Dreck lässt sich am schwersten zu Gold machen? Antwort, ganz klar: Interviews mit Hollywoodstars". Diese Sentenz ist eine der vielen, vielen in dem, Taschenbuch "Truman Capote für Boshafte". Ausgewählt und thematisch geordnet von Ulrike Seyer, hat die Herausgeberin offenbar ungetrübten Spaß an den Bosheiten des exzellenten Exzentrikers.

Man könnte zu der Schlussfolgerung kommen, dass auch Truman Capote nur eine arme Sau war, der sich in seiner Gruppe so unwohl fühlte wie jede arme Sau. Soweit gekommen, kann man sich guten Gewissens an den satirischen, sarkastischen Sätzen des Schriftstellers grunzend ergötzen. Truman, höchstselbst, bezeichnet sich als eine bissige Klapperschlange oder stechende Tarantel. Das Fazit des faszinierten, faszinierenden Fatalisten: "Über das Leben musst du dir keine Gedanken machen... du verlässt es sowieso nicht lebend." Wer nicht glauben will, dass das der Weisheit letzter Schluss ist, nimmt den Truman ernst, der meinte: „Wer meine Ratschläge angenommen hat, hat das später immer noch bereut.“ Mit dieser Warnung im Sinn, ist sicher, dass keine Bosheit des Boshaften boshaft macht. Wohlgeschützt lässt sich mit Schadenfreude lesen, wie sich der Schriftsteller Leute, Länder und das Leben überhaupt zur Brust nahm.

Das wird der Truman Capote, hochdroben im Himmel oder der Hölle, nun gar nicht gern hören, dass er nicht immer so brilliant gewesen ist, wie der Gefühlsgenosse Oscar Wilde. Truman Capote war der Oscar Wilde des 20. Jahrhunderts. Diese Boshaftigkeit wird dem Einzigartigen missfallen. Truman Capote war Truman Capote! Was will man mehr, wenn einer nicht mehr sein will, als er selbst? Toll, wie Truman selbst war! Das ist nicht zu überlesen, wenn die Texte von Truman Capote gelesen werden.

Bernd Heimberger
15.12.2008

 
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Das Buch:

Truman Capote, Ulrike Seyer (Red.): Truman Capote für Boshafte.

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Frankfurt am Main: Insel Verlag 2008
98 S., € 6,00
ISBN: 978-3-458-35106-1

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