Medien & Gesellschaft
Die beste 2. Liga der Welt
Die heutzutage fest etablierte Struktur des deutschen Profi-Fußballs mit dem Flagschiff Bundesliga und den sich einreihenden Ligen 2 und 3 war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit und bedurfte eines langen Atems derjenigen, die davon überzeugt waren, dass es für einen Qualitätsanspruch an den deutschen Fußball diesen Ligenbetrieb benötigt. So befindet sich beispielsweise die dritte Liga aktuell erst in ihrer 17. Saison, doch auch die 2. Liga musste verschiedene Stadien durchlaufen, bis sie in ihrem heutigen Gewand anerkannt und respektiert wurde. Erst elf Jahren nach dem Startschuss der Fußball-Bundesliga war sie schließlich im Jahre 1974 auf den Weg gebracht worden, um der ersten Liga einen würdigen Unterbau zu bereiten und um die breite Kluft zwischen Profi-Fußball und dem in den damaligen Regionalligen ausgeübten Amateur-Sport zu überbrücken.
50 Jahre später darf die 2. Liga durchaus als eine Erfolgsstory des deutschen Fußballs betrachtet werden. Schon vor einigen Jahren hatte ein Fernsehsender, der die Übertragungsrechte für Liga 2 innehatte, mit der besten 2. Liga der Welt geworben. Natürlich steckte hier ein gewisses Eigeninteresse hinter dem Slogan, doch von der Hand zu weisen ist dieses Qualitätsurteil definitv nicht. In diesem halben Jahrhundert durchlief die 2. Liga allerdings auch einige Varianten bezüglich ihres Formats. In ihren ersten sieben Spielzeiten war sie zunächst noch zweigleisig an den Start gegangen, mit einer Nord- und einer Süd-Ausgabe, so dass sich seinerzeit insgesamt bis zu 42 Vereine als zweitklassig bezeichnen durften. Seit 1981 jedoch gibt es ausschließlich eine einzige 2. Liga, anfangs mit 20 Vereinen, seit nunmehr 30 Jahren allerdings im bekannten Format mit 18 Vereinen. Die Integration der Ost-Klubs nach der Wende verlangte dem Sportbetrieb bekanntermaßen einige zwischenzeitliche Klimmzüge ab, so auch dem Unterbau der Fußball-Bundesliga.
Zum fünfzigsten Geburtstag ist der zweiten Liga nun ein besonderes Geschenk zuteil geworden. Hardy Grüne hat mit "Erstklassig: 50 Jahre 2. Liga" Kompendium und Liebesklärung zugleich verfasst. Dieser beim Werkstatt Verlag erschienene Wälzer beinhaltet alles, was das Herz begehrt: Bilder, die Emotionen wecken, Statistiken, Tabellen und Übersichten, die keine Wünsche übrig lassen, und dazu noch Texte und Beschreibungen, die mit Fußball-Sachverstand und Liebe zum Detail verfasst wurden. Kein Wunder, denn mit Hardy Grüne hat ein Mann für dieses Projekt Verantwortung getragen, der dem fußballkundigen Leser natürlich ein Begriff ist. Hierzulande können nur wenige Autoren und Journalisten Hardy Grüne das Wasser reichen, seine Publikationen rund ums runde Leder aufzuzählen, hieße Eulen nach Athen tragen. Dabei ist Grüne jemand, der neben seinem Faible für Statistik und Zahlen den Blick gerne auf Themen abseits des allergrößten Glamours richtet. Folgerichtig ist er genau der richtige Mann für dieses Buch über ein halbes Jahrhundert zweite Liga.
Grüne ist es gelungen, vielfältige Facetten zu diesem Thema mit abertausenden Geschichten, Schicksalen und Heldensagen abzudecken. Nach seinem Vorwort mit einem Plädoyer über ehrliche Arbeit geht der Autor sogleich in medias res. Saison für Saison durchschreitet Grüne chronologisch. Während er für die zweigleisigen Spielzeiten noch drei Seiten verwendet, sind es ab 1981 jeweils Doppelseiten, auf denen eine Kreuztabelle alle Spielergebnisse der Saison und die Abschlusstabelle liefert, dazu neben einer textuellen Saisonzusammenfassung noch die Top-Torjäger und einen TOP sowie einen FLOP aus dem Blickwinkel des Betrachters. Im weiteren Verlauf des Buches räumt Grüne den wichtigsten Spielern, Trainern und Mannschaften in der Geschichte der 2. Liga Raum ein. Sehr erhellend ist dabei die Rubrik "Auch sie spiel(t)en 2. Bundesliga", in der längst in den Niederungen des Amateurfußballs versunkene und auch nicht mehr existente Vereine wie der VfR OLI Bürstadt oder TuS Schloss Neuhaus nochmal im Kontext der 2. Liga Erwähnung finden. Abgerundet wird das Buch schließlich durch einen übergreifenden Statistikteil mit einer Ewigen Tabelle, den Rekordspielern und Rekordtorschützen und einer Übersicht über die Zuschauerzahlen, die unterstreichen, dass die 2. Liga mehr boomt denn je.
Beim Schwelgen im vorliegenden Buch werden vielfältige Erinnerungen wach. Bleibt man bei der Saison 1984/85 hängen, wird einem wieder gewahr, dass seinerzeit in Nürnberg ein Spieleraufstand gegen den Trainer Heinz Höher erfolglos blieb, stattdessen der Trainer Rückendeckung erhielt, um am letzten Spieltag tatsächlich bei Hessen Kassel Meisterschaft und Aufstieg klarzumachen. Oder in der Saison 2002/03 mit dem wahrscheinlich dramatischsten Saisonfinale aller Zeiten, als sich Mainz 05 und die Frankfurter Eintracht ein Wettschießen um den Aufstieg lieferten, bekanntlich mit dem besseren Ende für die Mannen vom Riederwald. Es ist Hardy Grüne ein Dank auszusprechen, dass er in dieses Werk soviel Liebe zum Spiel und Erinnerungen an ein halbes Fußballfan-Leben gepackt hat, und man als Leser das Gefühl hat, den Duft von harter Fußball-Maloche in der Nase zu tragen.
Christoph Mahnel
24.03.2025