Medien & Gesellschaft
Ali, boma ye!
Am 30. Oktober 1974 fand im afrikanischen Kinshasa, der Hauptstadt Zaires, der unzweifelhafte größte Boxkampf aller Zeiten statt. In den sechziger Jahren hatte Cassius Clay, der sich später Muhammad Ali nennen sollte, das Schwergewichtsboxen dominiert und mit seiner einzigartigen Persönlichkeit den gesamten Erdball fasziniert. Doch war ihm 1967 nach seiner Ablehnung, den Wehrdienst anzutreten, der Weltmeister-Titel aberkannt und die Box-Lizenz entzogen worden. In der erzwungenen Wettkampfpause, die drei Jahren währen sollte, und der Folgezeit, als Ali beschwerlich Wiederanlauf nahm, entwickelten sich neue Box-Giganten. An vorderster Stelle tat sich George Foreman hervor, der im Januar 1973 zum Weltmeister gekrönt wurde und sich einen Ruf als K.O.-Maschine erarbeitet hatte. Experten hatten Ali kaum Chancen gegen Foreman eingeräumt, als es schließlich im Jahre 1974 zum Weltmeisterschaftskampf zwischen Foreman und Ali kommen sollte. Der "Rumble in the Jungle" übertraf letztlich alle Erwartungen.
Wenn sich dieser Tage der legendäre Fight zwischen Ali und Foreman zum fünfzigsten Mal jährt, lohnt es sich einen Blick zurückzuwerfen auf dieses Ereignis und die Umstände der damaligen Zeit. Ali war bekanntermaßen nicht auf den Mund gefallen und hatte parallel zu seinen Erfolgen im Ring immer wieder Respekt, Anerkennung und vor allem Gleichberechtigung für ihn und alle Menschen gefordert, die seinerzeit wegen ihrer Hautfarbe in den Vereinigten Staaten verfolgt und geächtet wurden. Foreman, der Parvenu, war deutlich unpolitischer unterwegs, weswegen Ali die Herzen und Sympathien der Menschen zuflogen. Auch die Wahl, den Kampf im Herzen Afrikas auszutragen, sorgte dafür, dass Ali in den Wochen der Vorbereitung auf einer Welle der Euphorie ritt. Da konnte selbst die in Zaire herrschende Diktatur von Mobuto Sese Seko, für den dieser Kampf ein ähnlich prestigeträchtiges Unterfangen wie Olympia 1936 in Berlin für Hitler darstellte, der Begeisterung keinen Abbruch tun.
Ein halbes Jahrhundert "Rumble in the Jungle" wird nun vom Verlag Die Werkstatt mit dem dort erschienenen Buch "Ali vs. Foreman: 50 Jahre" gebührend begangen. Der Autor und Journalist Bertram Job hat trotz elterlichen Fernsehverbots einst im Oktober 1974 viele Jahrzehnte an Boxsport-Erfahrung in dieses Opus miteinbringen können. Das quadratische daherkommende Buch entspricht haptisch einem Jahrhundertkampf im Schwergewichtsboxen. Beim ersten Aufschlagen fallen dem Leser sogleich die vielen ausdrucksstarken Bilder ins Auge. Der Autor hat die Geschichte des Kampfes zusammen mit den vielen Geschichten rund um den Kampf in drei Abschnitte unterteilt: "Unterwegs zum Megafight" versetzt den Leser in den Gesamtkontext zum Verständnis der Bedeutung dieses Boxkampfs, während in "Der 30. Oktober" schließlich der Kampf Runde um Runde, Schlag um Schlag nachvollzogen wird. "Das Vermächtnis" beschäftigt sich mit den Konsequenzen aus diesem Kampf und dem Impact auf die Gesellschaft, die Protagonisten und den Boxsport.
Bertram Job widmet sich den vielen Mythen zum "Rumble in the Jungle", bestätigt einige, räumt aber auch mit anderen auf. Exzellenz lässt sich nach dem Studium dieses Buchs allen Beteiligten bescheinigen. An allererster Stelle seien natürlich die Fotografen zu nennen, die mit ihren Aufnahmen nachhaltig faszinieren. Die Augen des Betrachters bleiben förmlich an einigen Bildern hängen, wobei natürlich "Showman" Ali ein gefundenes Fressen für Fotografen wie auch für Journalisten war, hatte er doch bei öffentlichen Auftritten immer eine Inszenierung in petto. Dies wird auch in "Ali vs. Foreman" an vielen Stellen deutlich.
Doch sollte man nicht den Fehler machen, die Show und die Begleitumstände rund um den Kampf größer zu machen als den eigentlichen sportlichen Wettkampf, denn dieser war herausragend. Und Bertram Jobs Darstellung der legendären acht Runde ist ebenfalls Weltklasse. Man erlebt den Fight dank seiner Schilderung, den eingestreuten Zitaten und den ausgesuchten Bildern nochmal mit, leidet mit den beiden Beteiligten und möchte sich anschließend sofort noch einmal die bewegten Bilder dazu auf YouTube oder ähnlichen Kanälen anschauen. Bertram Job ist es mit "Ali vs. Foreman" gelungen, dieses einzigartige Sportevent angemessen zu würdigen und dem Leser, der nicht das Glück hatte, diesem Kampf damals beiwohnen zu können, das Gefühl zu geben, dass er unbedingt bei diesem Event live hätte dabei sein wollen. Mehr kann man mit einem Buch tatsächlich nicht erreichen.
Christoph Mahnel
21.10.2024