Medien & Gesellschaft
Pariser Tagebuch
Iim 21. Jahrhundert befanden sich die Olympischen Spiele in einem unverkennbaren Sinkflug. Maßgeblich hierfür waren etliche Entscheidungen des IOC betreffend der Austragungsorte für ihre Spiele. Insbesondere Winterspiele wurden an Länder vergeben, deren Diktatoren keineswegs olympisches Gedankengut pflegen, oder auch an solche, die nur wenig bis gar keinen Bezug zum Sport haben. Sotschi 2014, Pyeongchang 2018 oder Peking 2022 sind beste Beispiele für die traditionslose Vergabe von Spielen und unlautere Klüngelei unter schlechten Menschen. Dass Corona die letzten Sommerspiele in Tokio erst ausfallen und dann zu Geisterspielen mutieren ließ, muss man dem IOC nicht ankreiden, kann man aber gerne. Was die Olympischen Spiele und das IOC unbedingt benötigten, war eine Trendwende. Dass dies gelungen ist, wird ein jeder bestätigen, der sich im sich just zu Ende neigenden Sommer die Wettkämpfe in der französischen Hauptstadt angesehen hat.
Die Olympischen Sommerspiele 2024 von Paris waren eine Reanimation des am Boden liegenden olympischen Geistes. Eine fantastische Stadt als Hintergrundgemälde, ein begeisterungsfähiges und begeisterndes Publikum, das die meisten Sportarten seit jeher selbst pflegt und kennt, dazu Athleten, die mit unglaublichen Leistungen und Wettkämpfen faszinierten. Auch aus deutscher Sicht gab es trotz weiterhin sinkender Medaillenquoten viele Feiermomente, Siegeszüge der Mannschaftssportler, Sensationen wie die 3x3-Basketballerinnen oder eine Kugelstoßerin, die niemand auf der Rechnung hatte. Die mediale Aufbereitung der Übertragungen hat mittlerweile dank Mediatheken und Live-Streams ein stabiles Niveau erreicht, das jeden Fernsehkonsumenten der Spiele zum eigenen Regisseur des Fernsehabends macht. Alles in allem, die Spiele von Paris waren ein Knaller, für den man weit zurückblicken muss, um Vergleichbares auszumachen.
Nachdem die olympische Flamme am Abend des 11. August erloschen war, richtete sich der Blick sogleich auf den Büchermarkt, denn schließlich will das heimische Bücherregal nach einem derartigen Event mit einem angemessenen Olympia-Buch bestückt werden. Die Erwartungshaltung an ein "Event-Buch" war nach den fantastischen Tagen von Paris entsprechend hoch. Der kluge Sportsfreund schaut hier zunächst beim Werkstatt Verlag vorbei, da man dort eine lange Tradition und entsprechende Qualität verankert sind. Das Duo Ulrich Kühne-Hellmessen und Detlef Vetten hat es sich auch dieses Mal nicht nehmen lassen und bereits wenige Tage nach dem Erlöschen der Flamme geliefert: "Olympia 2024 - Die Spiele von Paris" lautet wenig überraschend der Titel ihres Tagebuchs zu den Spielen von Paris.
Auf dem Titelbild prangen einem sogleich erfolgreiche deutsche Leichtathleten und Schwimmer entgegen, dazu Dressurreiter und Handballer. Seit einigen Spielen ist es Usus der Herren Kühne-Hellmessen und Vetten, dass ihr Buch mit drei Doppelseiten startet, auf denen einem sämtliche deutschen Gold-, Silber- und Bronze-Medaillengewinner entgegenlächeln. In seiner anschließenden Einleitung spricht Detlef Vetten Tacheles und spart nicht mit Kritik an IOC und denjenigen, die sich nicht von der Stimmung der Spiele in Paris anstecken ließen. Und dann geht es los mit den Wettbewerben: 17 olympische Tage finden in das vorliegende Buch Eingang als 17 Kapitel, denen mit strenger Choreographie jeweils genau sechs Seiten gewidmet werden. Die Berichterstattung in den Kapiteln ist erfrischend, da sie offensichtlich noch unter den emotionalen Eindrücken der jeweiligen Tage steht. Unmöglich wäre es beispielsweise gewesen, über das Handball-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich mit distanzierter Abgeklärtheit zu berichten.
"Olympia 2024 - Die Spiele von Paris" hat alle Erwartungen getroffen und Atmosphäre und Emotionen der tollen Tage von Paris zwischen den beiden Buchdeckeln konserviert. Dazu tragen sicherlich auch die vielen Schnappschüsse und Bildergalerien bei, die das gesamte Buch durchziehen. Für die ganz genauen Sportsfreunde ist der Statistikteil ein gefundenes Fressen: Neben dem obligatorischen Medaillenspiegel finden sich im Schlussteil des Buches auch noch Ergebnisübersichten zu allen einzelnen Wettbewerben vom ersten bis zum achten Platz inklusive aller Weiten, Höhen und Zeiten. Dazu gesellt sich noch eine Komplettübersicht aller deutschen Olympioniken mit Namen und Disziplinen. Das vorliegende Buch ist die erste Anlaufstelle für alle, die sich dem Zauber Olympias nicht entziehen konnten und die ein Andenken für ihren Bücherschrank suchen.
Christoph Mahnel
23.09.2024