Medien & Gesellschaft

Ein Sachbuch von gesellschaftlich großer und v.a. wichtiger Bedeutung

Sie nennen sich "Halbgötter in Weiß", aber Ärzte sind keineswegs unfehlbar. Zu welch dramatischen Folgen ein Fehler dieser Berufsgruppe führen kann, davon hat Johannes Schmidtke in seinem Buch "Der Fall Schlaganfall. Studie eines Verbrechens" berichtet. Und so den Leser aufmerksam gemacht auf bestehende Missstände im deutschen Gesundheitssystem und im herrschenden Rechtswesen. Nun ist mit den "Charakterstudien" ein weiteres lesenswertes, informatives und trotzdem auch sehr persönliches Exemplar zu diesem Thema erschienen. Darin lässt der Autor kein gutes Haar an Ärzten, Orthopädie-Techniker und Rechtsanwälte. Und das aus gutem Recht, denn Schmidtkes Leidensweg ist nur einer von vielen, gehört deshalb unbedingt gehört.

Was in "Der Fall Schlaganfall. Charakterstudien" steht, ist kein Kennen vom Hörensagen, sondern tatsächlich gemachte Erfahrungen des Autors mit Ärzten, die nur auf ihr eigenes Prestige achten statt auf das Wohl ihrer Patienten, mit Pflegepersonal, das oftmals ungelernt ist, was in Schmidtkes Fall zu körperlicher Versehrtheit geführt hat, und mit Rechtanwälten, die ihn am Telefon nur abspeisen. Da kann es beim Lesen passieren, dass man nicht nur fassungslos den Kopf schüttelt, sondern auch der Puls steigt. Das vorliegende Buch ist eine schockierende Lektüre, rüttelt aber zugleich auch wach. Da bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Menschen es kaufen und lesen werden, damit es diesen nicht so ergeht wie Johannes Schmidtke. Schließlich ist sein Schicksal nur eines von vielen.

Briefe, schriftlich festgehaltene Erinnerungen und Berichte lassen "Der Fall Schlaganfall. Charakterstudien" zu einem persönlichen Buch werden. So mancher wird sich an seine eigenen Erfahrungen mit unserem Gesundheitssystem erinnert fühlen und wahrscheinlich auch Wut empfinden, anderen wird hier gezeigt, was sie beachten müssen, sollte es ihnen einmal so ergehen wie dem Autor Johannes Schmidtke. Ungläubig und erschüttert liest man Satz für Satz. Dabei ist alles wahr! Seine Schilderungen verlangen einem so einiges ab. Trotzdem - oder gerade deshalb - ist diese Lektüre für jeden Pflicht. Oder sollte es zumindest sein. Es wird sich nur etwas wirklich ändern in unserem Gesundheitssystem, wenn mehr Stimmen erklingen als nur eine, und diese auch lauter als der lauteste Schrei.

Sachliteratur, direkt aus dem Herzen geschrieben - Johannes Schmidtkes "Der Fall Schlaganfall. Charakterstudien" hinterlässt auf vielen Ebenen beim Leser einen nachdrücklichen Eindruck. Es bietet Einsichten, die einen glauben lassen, dass manche (Reha-)Kliniken sich noch immer im Mittelalter befinden und nicht im 21. Jahrhundert. Das macht die Lektüre so aufwühlend, so bestürzend und so zornig. Und dennoch ist diese auch so wichtig. Man muss seine Stimme erheben, um gehört zu werden. Sonst kann es passieren, dass sie in der Masse untergeht. Schmidtkes wird das definitiv und ganz sicher nicht. Sie ist ein Schrei. Das macht das Buch so bedeutend: Es kann Veränderungen bewirken, und zwar tiefgreifende, effektive. Von solchen sollte es mehr Bücher geben!

Wird im Patient noch der Mensch gesehen, oder dient er als Objekt für Subjekte, die sich an ihm Frustrationen und Charakterschwächen abreagieren? Schonungslos zeigt Johannes Schmidtke in "Der Fall Schlaganfall. Charakterstudien" Missstände auf und zeichnet ein Sittenbild, das unter die Haut geht. Diese Lektüre lässt einen wütend zurück. Sie hallt noch lange nach. Und das ist heutzutage wichtiger denn je!

Anja Rosenthal 
13.12.2021

 
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Das Buch:

Johannes Schmidtke: Der Fall Schlaganfall. Charakterstudien

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Berlin/München: Novum Verlag 2021 76 S., € 15,90 ISBN: 978-3-99107-436-6

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