Biographie

Krieg , Vertreibung , Gewalt in der Ehe - ein wichtiger Lebensbericht

Der biografische Roman, der das Schicksal einer Schlesierin Anfang des 20. Jahrhunderts schildert, wurde von deren Enkelin niedergeschrieben, die das starke Bedürfnis verspürte, die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen, sondern für nachfolgende Generationen festzuhalten.

Und so entstand die Erzählung über eine Frau, zwei Weltkriege und eine Flucht. Ein Schicksal, wie es sicherlich schon vielfach beschrieben wurde. Doch die Autorin Heide Heine legt ein Werk vor, das die persönlichen Erfahrungen der Protagonistin in den Vordergrund stellt. Wenn einer der Lieblingsbrüder während eines Krieges stirbt oder ein anderer mit psychischen Schäden zurückkommt, werden diese Ereignisse zwar genannt, aber in erster Linie dienen sie dazu, die Reaktionen der einzelnen Akteure aufzuzeigen. Die Mutter, die kein Mitleid empfindet oder die Schwester, die auch in dieser Situation nur an den eigenen Vorteil denkt. Nur Anna, sensibel und, trotz Ablehnung durch diese, immer für die kleinen Geschwister verantwortlich, leidet mit jedem Verlust.

So entsteht nach und nach das Bild einer Frau, die ein hartes Leben lebt und nicht nur viele (Schicksals-)Schläge widerspruchslos einsteckt. Der Leser mag sich an manchen Stellen wundern, warum diese Frau sich, angefangen bei der jahrzehntelangen Untreue ihres Mannes mit der eigenen Angestellten, nie zur Wehr setzt oder dem Ganzen einen Schlusspunkt setzt. Denn erst ziemlich spät wird klar, dass Anna keineswegs schwach ist. Im Gegenteil, sie ist stark und ausdauernd, lässt sich nicht klein kriegen und setzt sich gegen den Willen ihres Mannes sowohl für die Fremdarbeiter als auch für die Juden im Dorf ein. Am aussagekräftigsten ist eine Entscheidung ziemlich am Ende des Buches: Als sie endlich ein gutes Leben gefunden hat, gibt sie dieses freiwillig wieder auf. Im Tausch für ein Leben, das sie weiterhin an der Seite ihres Mannes und seiner Geliebten verbringen muss. Denn zum Wohle ihres Sohnes nimmt sie alles in Kauf.

"DreckMensch", der Titel des Buches, gibt eine Bezeichnung wieder, die Anna erst von ihrer Mutter hinnehmen musste, die sie immer als niedrigen Menschen ansah: klein, hässlich und dumm, und später von ihrem Mann. Doch dieses Mal ist es Teil ihrer Rache an ihm. Denn die Entscheidung, sich nicht mehr zu waschen, fällt sie nur aus einem Grund: damit ihr Ehemann sie nicht mehr anfassen mag. Auch dies eine mutige Entscheidung einer Frau, die sich anders körperlich nicht wehren kann.

Das Buch ist eine Erinnerung, aber vor allem auch eine Mahnung, sich auf das zurück zu besinnen, was das Leben lebenswert macht: Liebe, Vertrauen und Mut. Gerade in unserer Gesellschaft, in der kaum jemand wirkliche Entbehrungen mehr kennen lernen musste.

Die Autorin schreibt in klaren Sätzen, oft sind es nur Gedankensplitter. Durchsetzt ist die Erzählung mit vielen schlesischen Worten und geprägt durch eine einfache, oft im Dialekt wiedergegebene Sprache, die es erst richtig authentisch werden lässt. Und genau dies macht den Charme dieses Buches aus, das zwar ein trauriges Kapitel der deutschen Geschichte widerspiegelt, aber beim Leser dennoch nicht nur ein ungutes Gefühl zurück lässt. Denn von Anna kann man lernen: jedes Schicksal lässt sich meistern!

Hugo Meyer
01.06.2015

 
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Das Buch:

Heidi Heine: DreckMensch - Leben über zwei Kriege

Frankfurt: Frankfurter Literaturverlag 2015
92 S., 12,40 Euro
ISBN: 978-3837216967

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