Biographie

Vom Verlust des „Swagger“

Johannes Herber war auf dem besten Wege, sich im Soge eines Dirk Nowitzki zu einem gestandenen deut-schen Basketball-Nationalspieler zu entwickeln. Im Jahre 2002 wagte er den Schritt vom Zweitligisten TV Langen über den großen Teich, um sich als 19-Jähriger im amerikanischen College-Basketball weiterzuent-wickeln und dort seine unbestrittenen Fähigkeiten auszubauen. Sein Team, die West Virginia University Mountaineers, hatte in den vier Jahren mit Joe Herber – so wurde er in den Staaten ob seines für dortige Zungen schwer auszusprechenden Vornamens genannt – die erfolgreichste Zeit in ihrer Geschichte. Für Joe Herber schien fortan alles möglich zu sein.

Dass sich für den hoffnungsfrohen Sportler nicht alles so weiterentwickelte, wie er sich das nach vier erfolg-reichen Jahren im amerikanischen College-Basketball und dem bevorstehenden Wechsel zu Deutschlands damaligem Serienmeister ALBA Berlin in seinen Träumen ausmalte, wird durch den Titel des vorliegenden Buchs mit Joe Herbers Basketball-Geschichte bereits vorweggenommen: "Almost Heaven". Herber hat mit der Titelwahl sicherlich auch eine kleine Hommage an seine amerikanische Episode in West Virginia gerich-tet, schließlich beginnt mit diesen Worten die inoffizielle Hymne West Virginias, Joe Denvers Klassiker "Country Roads, take me home".

Doch stellt Herber sehr schnell klar, dass er zwar am Basketball-Himmel gekratzt hatte, aber sich leider dort nicht etablieren konnte. Seine Karriere verlief eben nur "fast wie im Himmel". Während seiner Zeit in Deutschland standen vor allem zwei Dinge seinem Durchmarsch nach oben im Wege: Zum einen setzte und setzt die deutsche Basketball-Bundesliga auch heute noch vor allem auf zweitklassige Legionäre, anstatt deutschen Talenten Spielzeit zu gestatten. Zum anderen war das Verletzungspech ein ständiger Begleiter Joe Herbers nach dessen Rückkehr in den deutschen Basketball. Vor allem zwei Kreuzbandrisse raubten Herber neben weiteren Rückschlägen den Glauben daran, dass er es bis ganz nach oben schaffen könnte.

Mit 29 Jahren erklärte Herber schließlich im Jahre 2012 nach den weiteren Bundesliga-Stationen Tübingen und Frankfurt sein Karriereende. Was dem in Darmstadt geborenen Herber nach über zehn Jahren professionellem Basketball bleibt, sind Erinnerungen an unvergessene College-Playoffs, aber auch 74 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft, in denen er oftmals an der Seite des großen Dirk Nowitzki so manche Sternstunde erlebte, wo er in den DSF-Livereportagen von Kommentator Frank Buschmann bisweilen euphorisch in den Himmel gehoben wurde. Dennoch waren diese himmelsnahen Highlights eher die Ausnahme bei den vielen Tiefschlägen, über die Herber, der heute als Autor in Berlin lebt und arbeitet, in "Almost Heaven" berichtet.

Herbers Ausführungen sind sehr stark mit dem typisch amerikanischen Basketball-Slang durchsetzt. So versucht er den Beginn seines Abstiegs damit zu begründen, dass ihm der "Swagger"verlorengegangen sei. Der "Swagger"beschreibt das an Arroganz grenzende Selbstbewusstsein, mit dem Basketballer wie Rap- und Hip-Hop-Stars durch die Gegend stolzieren. Dieses Gefühl ging Herber in seinen Bundesliga-Jahren peu à peu verloren, was für ihn im Nachhinein ein klares Indiz war, dass sich seine Karriere dem Ende zuneigte. Herber reflektierte seine Karriereschritte stets sehr intensiv, was im vorliegenden Buch deutlich zutage tritt. Für den Sportfreund liefern diese ehrlichen Ausführungen Joe Herbers seltene Einblicke in das Seelenleben und die Denke eines Profi-Sportlers.

"Almost Heaven"hätte gut und gerne ein wenig umfangreicher ausfallen können. Joe Herber hat sein schriftstellerisches Debüt auf rund 250 Seiten mit sehr großem Schriftsatz und Zeilenabstand gebannt. Trotz aller Tiefschläge, die das Buch mit einer sehr gedämpften Atomsphäre unterlegen, hat Joe Herber dank des Sports nämlich sehr viele Erlebnisse in nicht einmal drei Jahrzehnten mitnehmen dürfen. Der gekonnte Plauderton, mit dem Herber in "Almost Heaven" überzeugt, hätte den Leser sicherlich auch länger als einen Nachmittag oder Abend, an dem sich das Buch locker lesen lässt, unterhalten können. Dennoch verdient sich Joe Herber einen großen Dank für diesen grundehrlichen Einblick in das Innerste seines Ichs.

Christoph Mahnel
31.03.2014

 
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Das Buch:

Johannes Herber: Almost Heaven

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Berlin: Berlin Verlag 2014
256 S., €19,99
ISBN 978-3-827-01178-7

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