Biographie

Abenteuer Afrika

Es war eine Art Goldrausch: Mit dem Anbau von Kaffee ließ sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in Britisch-Ostafrika viel Geld verdienen. Als die Braut Karen Christentze Dinesen Ende 1913 in Neapel das Dampfschiff bestieg, das sie nach Mombasa zu ihrem künftigen Ehemann bringen sollte, lag scheinbar eine goldene Zeit auf einer Kaffeefarm als zukünftige Baronin vor ihr. Doch als sie unter dem Pseudonym Tania Blixen (auch: Isak Dinesen), geschieden und von Krankheiten und Strapazen gezeichnet, Jahrzehnte später das Buch schrieb, das ihr Weltruhm verschaffen sollte, schrieb sie es als gescheitere Rückkehrerin in ihre Heimat Dänemark.

"Auf meiner Farm wurde Kaffee angebaut. Die Gegend lag eigentlich etwas zu hoch für Kaffee, man musste sich mühselig durchschlagen", hält sie fest in "Jenseits von Afrika" (auch: "Afrika, dunkel lockende Welt"): "wir sind nie reich gewesen auf der Farm."

Wer wissen will, was hinter den kunstvollen Sätzen des Erinnerungsbuchs aus der Zeit des Kolonialismus und den wunderbaren Bildern der preisgekrönten Verfilmung mit Meryl Streep und Robert Redford wirklich steckt, wird dankbar Tom Buk-Swientys Biografie über "Die Löwin" Tania Blixen zur Hand nehmen. Kaffeeanbau, erfahren wir dort, war ein äußerst lukratives, aber auch ein hochriskantes Geschäft. Die finanzielle Lage der "Karen Coffee Company" war katastrophal. Die spätere Schriftstellerin ist mit einem der ersten weiblich geleiteten afrikanischen Großbetriebe mit hunderten Arbeitskräften auf ganzer Linie gescheitert. Karen Dinesen vernichtete Millionenbeträge aus dem Familienbesitz.

Sie war nicht die, die sie in der Erinnerung sein möchte. Und doch war sie eine "Löwin" voller Tatkraft, eine faszinierende große Frauengestalt des 20. Jahrhunderts, die die Kriegszeit, Ehebruch, Geschlechtskrankheit, Einsamkeit, Insektenplagen und Dürreperioden überstand und einen Weltbesteller verfasste. Die mit Zahlen und Angaben aus der Geschäftskorrespondenz und weiteren Dokumenten belegte Wahrheit des Biografen ist nicht durchgängig schön wie Tania Blixens Erzählung von der Exotik und den Weiten Afrikas. Aber manchmal ist das dokumentierte Leben sogar interessanter als die Fiktion und legt dabei Persönlichstes offen wie der seltene Schnappschuss von Blixens Geliebtem Denys Finch Hatton ohne Kopfbedeckung.

Das 768-Seiten-starke Buch entfaltet sorgfältig recherchiert und reich bebildert, mit Karten und Stammbäumen versehen, ein eindrucksvolles Panorama eines Lebens zwischen nordeuropäischer Herkunft und ostafrikanischem Alltag, zwischen Safari und Großwildjagd auf der einen Seite und Club und Champagner auf der anderen. Im Mittelpunkt stehen die 17 Jahre auf der Kafffeefarm; den Abschluss des Buches bildet ein Ausblick auf das, was in den nächsten Jahren folgte.

"Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge." So lautet der weltbekannte Anfang von "Jenseits von Afrika". Die vorliegende Biografie bietet dem Leser die Möglichkeit, die Geschichte des Buches und des Films noch einmal zu erleben, mit neuen Details, Fakten und Bildern, zwar aus einer anderen Perspektive gleichsam wie mit dem Sezierbesteck offengelegt, aber dennoch erneut als eine große beeindruckende Erzählung vom Abenteuer Afrika.

Holger Schwinn 
10.10.2022

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Tom Buk-Swienty: Die Löwin. Tania Blixen in Afrika. Biografie. Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg

CMS_IMGTITLE[1]

München: Penguin Verlag 2021 768 S., € 32,00 ISBN: 978-3-328-60142-5

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.