Biographie

Der unvollendete Inspirator

Eingefleischte Fußballfans kennen Wolfgang Frank natürlich noch, sowohl als etwas kleingewachsenen, aber sehr erfolgreichen Bundesliga-Stürmer in den Siebziger und Achtziger Jahren, als auch als Trainer vieler Zweit- und Drittligisten. Aufgrund eines unheilbaren Hirntumors war Wolfgang Frank 2013 im Alter von gerade einmal 62 Jahren viel zu früh verstorben. Doch sein Erbe lebt weiter und zwar viel bedeutsamer als es seine mitunter unscheinbaren Trainerstationen erahnen lassen. Wolfgang Frank gilt gemeinhin als die Inspiration für Jürgen Klopps Werdegang, immerhin der aktuell bedeutendste deutsche Fußballlehrer. Doch nicht nur "Kloppo" war es, den Frank mit seinen Methoden, taktisch wie menschlich, in den Bann zog. Von ihm schauten sich viele mittlerweile namhafte Trainer, die einst als Spieler von Frank geführt wurden, ihr Rüstzeug ab und entwickelten es für sich weiter.

Bereits als Spieler tobte in Wolfgang Frank eine Ungeduld, die ihm während seiner gesamten Karriere immer wieder im Weg stehen sollte, um die ganz großen Meriten einfahren zu können. Nach zwei erfolgreichen Spielzeiten bei seinem Jugend- und Ausbildungsverein VfB Stuttgart zog es Frank wegen unterschiedlicher Vorstellungen mit den Vereinsverantwortlichen in die Niederlande. Nach nur einem Jahr im Ausland ging es bereits wieder zurück in die Bundesliga. In Braunschweig, Dortmund und Nürnberg erlebte er weitere, sowohl für die jeweiligen Vereine als auch für sich persönlich erfolgreiche Jahre. Der Sprung in die Nationalmannschaft oder große Titel blieben ihm verwehrt, teils aus gesundheitlichen Gründen, teils aber auch ob seiner kompromisslosen Geradlinigkeit, die er zeitlebens nicht ablegte. Obgleich er in seiner Trainerkarriere nie einen Bundesligaverein coachte, ist sein Wirken an der Seitenlinie das, was man heute mit dem Namen Wolfgang Frank verbindet.

In seinen Anfangsjahren als Trainer durfte sich Frank ähnlich wie Jogi Löw oder Ottmar Hitzfeld in der abgeschiedenen Schweiz probieren, abseits des Rampenlichts und mit erheblich geringerem Erfolgsdruck. Dort tüftelte Frank an seinerzeit in Deutschland noch unvorstellbaren taktischen Elementen wie der Viererkette. Seine erfolgreichsten Jahre verbrachte er sicherlich in Mainz, wo er nicht nur heutigen Trainergrößen wie Jürgen Klopp, Torsten Lieberknecht oder Sandro Schwarz ein Vorbild war, sondern auch einen vom Absturz in die Drittklassigkeit bedrohten Verein auf neue Füße stellte und den späteren Erfolg der Mainzer unter Klopp maßgeblich vorbereitete. Zwar stehen am Ende von Franks Karriere lediglich zwei DFB-Pokalfinalteilnahmen, beide auf der Bank, eine als Spieler und eine als Trainer, doch ist sein Vermächtnis in Expertenkreisen gewaltig. Als Mensch und akribischer Arbeiter gelang es ihm das eine oder andere Mal, ein Feuer in Mannschaften zu entzünden, das diese Leistungen weiter über ihrem individuellen Niveau abrufen ließ.

Mit Mara Pfeiffer hat sich eine aufstrebende Journalistin und Gönnerin des FSV Mainz 05 nun Wolfgang Frank und seinem Wirken im deutschen Fußball gewidmet. Endlich möchte man sagen, wenn man sich ihr vorliegendes Buch "Wolfgang Frank - Der Fußball-Revolutionär" zu Gemüte geführt hat. Sehr intensiv hat sich die Autorin, die ihren 2013 verstorbenen Protagonisten nie persönlich kennengelernt hat, mit Wolfgang Frank beschäftigt. Insbesondere ihre Gespräche mit den beiden Söhne Franks haben ihr einen hervorragenden Zugang zu der menschlichen Seite des nicht immer einfachen Fußballers und Trainers eröffnet. Darüber hinaus hat sie sich mit Personen aus sämtlichen Spieler- und Trainerstationen Franks ausgetauscht, so dass eine exquisite Biografie über den "Bundesliga-Trainer, der nur nie dort gearbeitet hat", entstehen konnte. Letzteres ist übrigens ein Zitat von Jürgen Klopp aus dessen Trauerrede auf Franks Beerdigung.

Glücklicherweise traut sich der Werkstatt Verlag immer wieder, jungen, noch nicht vollends etablierten Autoren mit mitunter speziellen Themen Möglichkeiten zu offerieren, damit diese sich ausprobieren können. Im vorliegenden Falle war dies ein absoluter Erfolg, denn nur so werden ein bisher vor allem in Insider-Kreisen geschätzter deutscher Trainer und dessen Bedeutung einem breiteren Publikum gewahr. Mara Pfeiffers Buch über Wolfgang Frank zeigt vor allem, dass es nicht immer die stringenten Wege über zweite und erste Liga bis in die Champions League sein müssen, die womöglich auch noch mit zig Titeln garniert sind, um am Ende seines Lebens einen gewaltigen Fußabdruck im Fußball und vor allem in den Herzen der Menschen hinterlassen zu haben.

Christoph Mahnel 
13.06.2022

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Mara Pfeiffer: Wolfgang Frank - Der Fußball-Revolutionär

CMS_IMGTITLE[1]

Bielefeld: Verlag Die Werkstatt 2022 272 S., € 26,00 ISBN: 978-3-7307-0602-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.