Biographie
Verschwenderisch verschönen
Bereits nach den ersten Sätzen gibt es keinen Zweifel! Hier schreibt keine Schriftstellerin vom Schlage einer Sigrid Damm, die Spuren der Goethe-Biographie nachgezogen hat, die der Herr Geheimrat gern verwischen wollte. Ursula Naumann, Autorin des Angelica Kauffmann-Goethe-Buches "Geträumtes Glück", ist eine Fachfrau. In Sachen Kunstgeschichte unterwegs, ist sie nur bedingt eine Erzählerin biographischer Geschichten. Im Recherchieren gründlich wie Damm, ist Naumann noch entschiedener im Ausbreiten authentischer Zeugnisse. Die von ihr erforschten römischen Künstlerverhältnisse in den Jahren vor der Französischen Revolution von 1789 werden eher episodisch denn komplex dargestellt. Die Annäherung der Autorin gilt einem inkognito zugereisten berühmten Flüchtling aus Weimar und der nicht minder berühmten Malerin Angelica Kauffmann. Eine talentierte Künstlerin, die von vielen männlichen Kollegen – und nicht nur von ihnen – als Herausforderung empfunden wurde, obwohl sie eine der Umgänglichsten gewesen ist. Gelobt wird allseits Kauffmanns Fleiß. Verdächtig erscheint vielen ihre gestalterische Flinkheit. Als „Kunstprinzessin“ lebte sie ohne Thron und Prinz in Rom. Der Prinz an ihrer Seite hätte durchaus der Zugereiste, der Jüngere, der Wolfgang Goethe, sein können.
Werden die in der Rubrik "Angelicas Lamento" vollständig nachgereichten Briefe der Schwärmerin gelesen, die sie 1788/89, nach der Abreise Goethes aus Rom, schrieb, ist der Eindruck schnell da, da schreibt eine Frau an ihren Traumprinzen. Wenn, dann war – auch nach Naumann – die "Romanze mit der Malerin" für Goethe – wie andere Romanzen – eine des geduldigen Papiers. In den Briefen äußert sich eine verschwenderische Verschönerin der Realität. Am besten und entschiedensten war Kauffmann eine Verschönerin. Die vertritt Naumann, ohne sie verteidigen zu müssen. Nicht mit der Lizenz angetreten, eine unbewiesene, unbelegbare Kauffmann-Goethe-Story zu erfinden, veröffentlicht die Verfasserin Aufgefundenes zur tatsächlichen Begegnung/Beziehung der Berühmten. Keine Seite des Buches, die ohne zweckdienliche Zitate ist. Nicht nur die verlangen eine hohe Konzentration. Am Stoff sollten Leser zumindest halb so interessiert sein wie die ambitionierte Autorin. Naumanns Buch ist etwas für das Bildungsbürgertum, das sich Hesse für seine Literatur erwartete. Gebildete, die sich bilden wollen will die kenntnisstarke Essayistin nicht enttäuschen. Auch nicht im Sprachlichen. Im Beschreiben von Personen, ihren Werken wie Lebensorten, ist die Verfasserin präzis-prätentiös. Immer macht sie neugierig auf alles, was sie mitzuteilen hat, ohne sich als Allwissende zu gebärden, die als Überlegene langweilt. Ursula Naumann hat sich mit ihrer erzählerischen Studie "Geträumtes Glück" selbst einiges abverlangt. Sie verlangt einiges von den Lesern. Zuerst die andauernde Bereitschaft zur Aufmerksamkeit. Nur die wird belohnt.
Bernd Heimberger
18.02.2008