Biographie
Er war der Größte aller Zeiten!
Nur wenige Sportler haben so viele Superlative auf sich vereint wie er: Muhammad Ali aka Cassius Marcellus Clay. Gut, einige dieser Superlative hat Ali selbst solange wiederholt und in die ihm bereitwillig vor die Nase gehaltenen Mikrofone gebrüllt, bis sie sich im kollektiven Gedächtnis festgesetzt haben. "I am the greatest!" bekam zu hören, wer es hören wollte oder auch nicht. Doch tatsächlich waren seine sportlichen Leistungen schon in jungen Jahren außergewöhnlich. Als 18-Jähriger holte er als Halbschwergewicht 1960 Olympisches Gold in Rom und leitete damit eine einzigartige Profikarriere ein. Im zarten Alter von 21 Lenzen errang er bereits den Weltmeistertitel im Schwergewicht gegen Sonny Liston. Sportlichen Weltruhm erlangte er schließlich Mitte der Siebziger, als er das ungeschriebene Gesetz "They never come back" durchbrach und sich den zuvor aberkannten Titel zurückholte. Seine Kämpfe gegen Georges Foreman und Joe Frazier gehören zu den absoluten Sternstunden des Sports, denn kein Mensch, der sie miterlebte, wird sie je vergessen.
Doch machen sportliche Erfolge alleine aus einem Boxer beileibe noch keinen Superstar vom Format Alis. Dazu ist ein Gesamtpaket von Nöten, das außergewöhnliche Handlungen ohne Boxhandschuhe außerhalb des Rings miteinschließt. Obgleich Ali insbesondere in jungen Jahren recht großmäulig daherkam, hat er die Menschen vor allem mit seiner charismatischen Aura in Bann gezogen, was ihn aber immer wieder mit dem weißen Establishment in den Vereinigten Staaten aneinandergeraten hat lassen. Seine Weigerung, in den Vietnamkrieg zu ziehen, hat ihm Gefängnis und die Aberkennung des Weltmeistertitels eingebracht. In den Rassenunruhen der Sechziger und Siebziger Jahre war er ein Vorreiter und Leuchtturm für die Emanzipationsbewegung der Afro-Amerikaner in den USA. Muhammad Ali hat den gesamten Globus fasziniert, Menschen aller Länder und aller Hautfarben bis zu seinem Tod im Jahre 2016.
Es sind im Laufe der Jahre viele Filme und Dokumentationen über Ali entstanden, ebenfalls Bücher, die versucht haben, diesen charismatischen Sportler und Menschenrechtler zu fassen. Mit Jonathan Eig hat sich nun ein Journalist und Buchautor der allerersten Garde an die Person des Muhammad Ali gewagt. "Ali: Ein Leben" lautet schlicht und einfach der Titel der deutschen Übersetzung des im vergangenen Herbst erschienen Originals. Eig hat sich in den Staaten als Autor von Sport-Biografien einen Namen gemacht, seine Werke über zwei amerikanische Baseballer aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden mit Preisen überhäuft, genauso wie seine Bücher über Al Capone oder die Anti-Baby-Pille. Für das vorliegende Buch hat er akribisch recherchiert und intensiv mit einigen Personen aus dem "inner circle" Alis zusammengearbeitet.
Der Autor ist bei seiner Arbeit auf viele Widersprüche im Wesen Muhammad Alis gestoßen. K.O.-Schläger und Menschenfreund zugleich, Großmaul und Pazifist in einer Person. Eig hat Ali kritisch ins Visier genommen und keine ausschließliche Heldenverehrung vorgenommen. Stattdessen ist er in dem 700 Seiten umfassenden Werk vielschichtig unterwegs, hat Alis komplettes Leben unter die Lupe genommen, viele Einzelheiten zusammengetragen und spannend aufgearbeitet. Dabei kommt dem Autor zugute, dass er ein wunderbares Erzähltalent hat, welches die Zeit wie im Fluge vergehen lässt, während man sich als Leser blendend unterhalten fühlt. Er verbindet die Vita eines außergewöhnlichen Boxers mit der amerikanischen Geschichte, die während Alis großer sportlicher Zeit in eine Phase des Umbruchs mündete.
Muhammad Ali hat gut vierzig Jahre nach dem Überschreiten seines sportlichen Zenits nichts an Faszination eingebüßt. Zwei Jahre nach seinem Tod bietet Eigs Werk eine hervorragende Gelegenheit, die vielen Facetten dieser Persönlichkeit umfänglich zu beleuchten. Selbst 32 Euro sind daher für dieses gelungene und haptisch anspruchsvoll daherkommende Buch ein wahres Schnäppchen. Der Umstand, dass Eig auch einige bislang unveröffentlichte Quellen nutzen konnte, wird dieses Buch zu einem Kompendium und Standardwerk über Muhammad Ali werden lassen. Ein Bildteil in der Mitte des Buches und am Ende eine vollständige Übersicht über Alis Profikämpfe runden dieses Meisterwerk ab. Wer über GOAT, den "Greatest Of All Times", fortan mitreden möchte, wird an dem vorliegenden Buch nicht mehr vorbeikommen.
Christoph Mahnel
27.08.2018